Stellungnahme: 15-08


zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Referentenentwurf. Der djb bedauert allerdings, dass erneut nicht die Gelegenheit ergriffen wird, die Regelungen im Kindesunterhaltsrecht insgesamt einer Überprüfung zu unterziehen, sondern der Gesetzentwurf sich auf punktuelle Änderungen beschränkt.

Zu Artikel 1 (§ 1612a BGB-E)

Die Regelung ist dem Umstand geschuldet, dass die seit dem 1. Januar 2008 geltende Fassung des § 1612a BGB die Begrifflichkeiten des Sozialrechts (sächliches Existenzminimum) und des Steuerrechts (Kinderfreibetrag) mit denjenigen des Unterhaltsrechts verknüpft.

Es steht außer Frage, dass eine Anhebung des sächlichen Existenzminimums – der 10. Bericht der Bundesregierung zum Existenzminimum ist beschlossen – und damit zugleich eine Anpassung der Düsseldorfer Tabelle überfällig ist.

Soweit im Ergebnis die bis zum 31. Dezember 2007 geltende Rechtslage wiederhergestellt wird (§ 1612a Abs. 4 BGB-E), gibt es gegen die beabsichtigte Änderung nichts zu erinnern. Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass ressortübergreifende Abstimmungen mit Blick auf die unterschiedlichen Interessenlagen problematisch sind, was indes nicht zu Lasten der unterhaltsberechtigten Kinder gehen kann.

Zu Artikel 2 (§§ 249 ff. FamFG-E)

Das sogenannte vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger (§§ 249 ff. FamFG) wird in der Praxis unterschiedlich genutzt. Wie im Entwurf zutreffend beschrieben, werden in der Regel Feststellungsbeschlüsse im Rahmen der Beistandschaft (§§ 1712 ff. BGB), häufiger allerdings in den Fällen des Anspruchsübergangs nach § 7 Absatz 1, 4 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) erwirkt.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang die fehlende Unterrichtung des betreuenden Elternteils (in der Regel noch immer die Mutter) über die Geltendmachung der Ansprüche mit der Konsequenz, dass es zu einer mehrfachen Rechtsverfolgung und im ungünstigsten Fall auch zur doppelten Titulierung kommt. Denn es ist in der gerichtlichen Praxis immer wieder festzustellen, dass die mit der Gewährung von Unterhaltsvorschuss verbundene Überleitung des Anspruchs und seine Auswirkungen den (Natural-)Beteiligten häufig nicht klar ist und sogar in der anwaltlichen Beratung übersehen wird.

Es könnte deshalb angezeigt sein, Informations- und Anzeigepflichten im Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung zu normieren, um Kollisionen zu vermeiden. Festzustellen ist andererseits, dass im Rahmen der Beistandschaft zunehmend häufiger das streitige Verfahren im Wege des Stufenantrags (§§ 113 Abs., 1 S. 2 FamFG, 254 ZPO) oder isoliert das Auskunftsverfahren gewählt wird, um die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen zu klären. Zusätzliche Kosten entstehen - auf Gläubigerseite - dadurch nicht, da die Behörde sich im Verfahren durch eigene Beschäftigte vertreten lassen kann (§ 114 Abs. 3 FamFG).

Ob die Änderung des sogenannten vereinfachten Verfahrens zu einer verstärkten Nutzung und Akzeptanz führen wird, erscheint deshalb zweifelhaft.

Allerdings ist die beabsichtigte Stärkung der Rechte der Antragsgegnerinnen und Antragsgegner zu begrüßen. Hier wird die Abschaffung des Formularzwanges für die Geltendmachung von Einwendungen das vom Gesetzgeber zutreffend erkannte Ungleichgewicht zwischen Behörden auf der einen und natürlichen Personen auf der anderen Seite ausgleichen helfen.

Zu den Vorschriften im Einzelnen:

1) zu Nummer 1

Die beabsichtigte Regelung in § 249 Abs. 2 FamFG-E ist nicht nur sachlich angemessen, sondern folgerichtig im Hinblick auf die Zuständigkeit der Rechtspflegerin bzw. des Rechtspflegers (§ 25 Nr. 2c RPflG). Denn bei übertragenen Geschäften – wie hier – kann in Fällen mit Auslandsbezug die Sache der Richterin bzw. dem Richter vorgelegt werden, wovon die Praxis regelmäßig Gebrauch macht (§ 5 Abs. 2 RPflG).

2) zu Nummer 3

a) Soweit der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Teilfestsetzung von Unterhaltsbeträgen im vereinfachten Verfahren anstrebt (§ 252 Abs. 2 FamFG-E), wird zu bedenken gegeben, dass eine derartige Teilfestsetzung zu Verwerfungen im streitigen Verfahren führen kann, wie schon die bisherige Praxis in Anwendung des § 254 Satz 2 FamFG gezeigt hat.

Die Bedenken gründen darauf, dass anwaltlich nicht vertretene Unterhaltsschuldner bisweilen im vereinfachten Verfahren ohne Kenntnis des zu wahrenden Selbstbehalts ihre Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt unrichtig zu hoch einschätzen, wobei sich die – fehlerhafte – Schätzung, auf deren Grundlage die Teilfestsetzung ergeht, faktisch wie ein Anerkenntnis auswirkt. So kann z.B. ein leistungsunfähiger Erwerbsminderungsrentner, dessen Rente 730 € beträgt, angeben, er könne 100 Euro Unterhalt zahlen. Setzt die Rechtspflegerin bzw. der Rechtspfleger den (Sockel-)Betrag im Wege des Teilbeschlusses fest, wird sich nach dem Übergang in ein streitiges Verfahren ergeben, dass bereits der titulierte Betrag nicht geschuldet ist. Hier bleibt zwar die Verbindung mit einem Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG im Rahmen eines Widerantrags, der jedoch nur binnen eines Monats nach Erlass des Teilbeschlusses auch rückständige Beträge erfassen kann.

Um die aufgezeigten Verwerfungen zu vermeiden, sollte der Übergang in ein streitiges Verfahren immer den – vollständigen – Unterhaltsanspruch zum Gegenstand haben (und nicht einen Verzicht des Antragstellers auf die Teilfestsetzung voraussetzen – Keidel/Giers, FamFG, 18. Aufl., § 254 Rz. 7), um einander widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Der nun anwaltlich vertretene Unterhaltsschuldner kann – nach Prüfung – ggf. ein Anerkenntnis abgeben und damit die Kostenlast verringern.

b) Zu § 252 Abs. 4 FamFG-E wird zu bedenken gegeben, dass nicht alle selbständig Tätigen zur Erstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung verpflichtet sind (§ 242 Abs. 4 HGB), so dass eine Ergänzung mit Blick auf § 4 Abs. 3 EStG angeregt wird. Existenzgründungszuschüsse nach § 93 SGB III werden von der genannten Gewinn- und Verlustrechnung ebenfalls nicht erfasst, sodass die Erklärungspflicht auf derartige Zuschüsse erweitert werden sollte.

Schließlich sollte die Belegpflicht für Unternehmer, deren Unternehmen noch keine drei Jahre betrieben wird, (klarstellend) eingegrenzt werden.

3) zu Nummer 6

Die beabsichtigte Regelung in § 255 Abs. 6 FamFG-E erschließt sich nicht ohne weiteres. So ist insbesondere ein praktisches Bedürfnis, die Frist auf drei Monate zu verkürzen, nicht erkennbar. Auch die Begründung zum Entwurf verhält sich hierzu nicht. Die Änderung wird daher zu überdenken sein, um nicht als „willkürlich“ empfunden zu werden.

4) zu Nummer 7

Im Beschwerdeverfahren nach § 256 FamFG ist nach geltender Rechtslage umstritten, ob im Falle der Erhebung unzulässiger Einwendungen (§ 256 Satz 2 FamFG) die Beschwerde an sich unzulässig mit der Folge der Verwerfung ist oder ob stattdessen eine Unbegründetheit der Beschwerde anzunehmen ist oder sogar eine Aufhebung der Vorlageverfügung mit Zurückverweisung an die Rechtspflegerin bzw. den Rechtspfleger im Rahmen einer als zulässig erachteten Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG in Betracht kommt (vgl. aktuell zum Meinungsstand: OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2015, 6 WF 87/15; a.A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2015, 2 WF 141/15; OLG Brandenburg, RPfleger 2015, 74 f. mit eingehender Begründung unter Zulassung der Rechtsbeschwerde; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. April 2015, 3 WF 12/15; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Januar 2015, 4 WF 699/14 – zitiert nach juris).

Da sich die unterschiedlichen Auffassungen nicht nur auf die zu treffende Kostenentscheidung erheblich auswirken, sollte der Gesetzgeber sich der Problematik annehmen. Denn die maßgebliche Regelung in § 256 Satz 2 FamFG wird nicht geändert.

Zu Artikel 5

Die in Aussicht genommenen Änderungen des § 27 Abs. 1 AUG-E sind im Hinblick auf Satz 1 2. Alternative – ausreichender Bezug zur Bundesrepublik Deutschland – missverständlich formuliert.

Zwar entspricht der Wortlaut im Wesentlichen Artikel 7 Abs. 2 der VO (EG) 4/2009, ist dort allerdings in einem anderen Kontext zu lesen. Im Rahmen des Anwendungsbereichs des AUG stellt sich deshalb die Frage, ob es nicht sinnvoller ist, an den (letzten) gewöhnlichen Aufenthaltsort anzuknüpfen, um Streitigkeiten über die Zuständigkeit, die bei der gewählten Formulierung und deren Auslegung naheliegen, zu vermeiden.

Ergänzend wird im Zusammenhang mit der Reformierung des vereinfachten Verfahrens angeregt, die Hinweise zum Antrag auf Festsetzung um die Möglichkeit einer Abänderung des Beschlusses gemäß § 240 FamFG – auch für die Vergangenheit (Absatz 2) – zu ergänzen.

Denn im vereinfachten Unterhaltsverfahren ist die anwaltliche Vertretung der Unterhaltsschuldner eher die Ausnahme, so dass es bei den überwiegend von staatlichen Stellen geführten Verfahren zu einer Schieflage im Hinblick auf die Rechtskenntnisse kommt, wie im Entwurf an anderer Stelle zutreffend hervorgehoben wird.

Ramona Pisal                                  
Präsidentin   

Brigitte Meyer-Wehage
Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht,
Recht anderer Lebensgemeinschaften