Stellungnahme: 11-13


zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes und anderer Gesetze (Referentenentwurf Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetz)

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) sieht und unterstützt den Gesetzeszweck der Unterstützung von alleinerziehenden Elternteilen und der besonders schweren Situation dieser Elternteile, die nach wie vor in der Regel weiblich sind. Es ist wichtig, den Zugang zu den Unterstützungsleistungen für diese Elternteile, die ohnehin mehrfach belastet und häufig in den niedrigeren Einkommensklassen zu finden sind, möglichst effektiv und einfach zu gestalten.

Der djb ist allerdings der Ansicht, dass das hier vorgeschlagene Gesetz zu einer Schlechterstellung von Einelternfamilien führt, die ohnehin wesentlich stärker dem Armutsrisiko ausgesetzt sind als Paarfamilien. Insbesondere vor dem Gesetzeszweck der Erleichterung des Rückgriffs auf die/den Unterhaltschuldner/in kann der Verbrauch des Leistungszeitraums von 72 Monaten trotz Rückabwicklung nicht nachvollzogen werden.
 

§ 1 Berechtigte

Zu § 1 findet sich in dem Gesetzesvorschlag keine Veränderung. Hier wird eingewandt, dass die Unterstützungsleistungen für die Kinder nur bis zu deren 12. Lebensjahr gezahlt wird. Wie die sogenannte Düsseldorfer Tabelle sehr zu Recht vorgibt, haben Kinder ab dem 12. Lebensjahr aber einen höheren Bedarf als Kinder bis zum 12. Lebensjahr. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum diese Kinder nicht mehr in den Genuss von Unterhaltsvorschussleistungen kommen sollen. Nach dem neuen Unterhaltsrecht sind Mütter ab dem dritten Lebensjahr der Kinder grundsätzlich zur Vollerwerbstätigkeit verpflichtet, wenn Betreuungseinrichtungen für diese Kinder zu Verfügung stehen. Statistisch arbeiten diese Mütter – jedenfalls ab dem 12. Lebensjahr der Kinder – annähernd Vollzeit. Zu einem Zeitpunkt, an dem diese Elternteile dann durch eigenes Erwerbseinkommen den Leistungen des SGB II entwachsen könnten, endet die Unterstützungsleistung des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) mit der Folge, dass diese Elternteile dann erneut der Unterstützung des Staates über die Hilfe zum Lebensunterhalt bedürfen.

Angesichts der Zahlen, die der Armutsbericht gerade für Kinder von Alleinerziehenden ausweist, ist dies nicht nachzuvollziehen und schadet den Kindern und den alleinerziehenden Elternteilen. Auch gesellschaftlich kann die Armut von Kindern und alleinerziehenden Elternteilen nicht hingenommen werden.

Der djb ist daher der Ansicht, dass die Unterhaltsvorschussleistungen bis zum 18. Lebensjahr der Kinder gezahlt werden sollten.

Ein finanzieller Nachteil kann hier nicht gesehen werden, da die Unterstützungsleistungen, die über das UVG zum 12. Lebensjahr der Kinder enden, ohnehin über die Sozialleistungen des SGB II weitergeführt werden. Aber auch für den Fall, dass der alleinerziehende Elternteil durch eigenes Erwerbseinkommen so viel Einkommen generiert, dass er keine weiteren Leistungen durch das SGB II erhält, ist die gesellschaftlich nicht tolerierbare Folge, dass diese Familien ohne Unterhaltsleistungen für die Kinder durch den unterhaltspflichtigen Elternteil am unteren Rande des Existenzbedarfs leben. Insbesondere die Pisa-Studie hat gezeigt, dass hier die Möglichkeiten für die Kinder, Abitur zu machen und womöglich ein Studium zu absolvieren, schlechter sind als für Kinder aus klassischen Paarbeziehungen. Gesamtgesellschaftlich kann auf Dauer nicht hingenommen werden, dass Kinder aus Einelternfamilien schlechtere Bildungschancen haben als Kinder aus Paarbeziehungen. Der 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (BT-Drucksache 15/6014) stellt eindeutig fest, dass Alleinerziehende nur 70 Prozent des Durchschnittseinkommens erzielen, sie haben ein eindeutig höheres Armutsrisiko.

Das Gesetz zum Kinderzuschlag war hier gut gedacht, angesichts der Schwierigkeiten mit der Umsetzung dieses Gesetzes und den Unwägbarkeiten der Berechnung des Kinderzuschlags (der von Gesetzes wegen jeden Monat anhand der Ausgaben und der Einnahmen der Familie neu zu bestimmen wäre) ist dies gerade für die doppelt belasteten Einelternfamilien unhändelbar.

Am 4. Juli 2007 hat anlässlich der Diskussion zum Unterhaltsänderungsgesetz der Deutsche Bundestag noch ausdrücklich festgestellt, dass Kinder und Jugendliche die Zukunft unserer Gesellschaft sind, siehe BT-Drucksache 16/5960. Kinderarmut ist kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem, dem stellt sich der vorliegende Gesetzesentwurf nicht in ausreichendem Maße.
 

§ 2 Umfang der Unterhaltsleistungen

Hinsichtlich des Umfangs der Unterhaltsleistungen wird darauf hingewiesen, dass über die Düsseldorfer Tabelle faktisch lediglich das hälftige Kindergeld in Abzug gebracht wird, wohingegen nach dem UVG dem alleinerziehenden Elternteil das volle Kindergeld in Abzug gebracht wird, was zur Folge hat, dass die Zahlungen aus dem UVG um das hälftige Kindergeld (zurzeit 92 Euro für das 1. und 2. Kind) niedriger sind als die Leistungen, die das Kind vom anderen Elternteil erhalten würde. Da der Unterhalt der Düsseldorfer Tabelle an das Existenzminimum geknüpft wurde, stellt sich hier die Frage der Sicherstellung des Existenzminimums der Kinder und die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Leistung nach dem UVG.

Zu Buchstabe b

Hinsichtlich der Anrechnung von Zahlungen des anderen Elternteils wird darauf hingewiesen, dass Zahlungen des unterhaltspflichtigen Elternteils für die Betreuung der Kinder in Kindertageseinrichtungen dazu dienen, dass der alleinerziehende Elternteil einer Berufstätigkeit nachgehen kann und damit dazu führen sollen, den betreuenden Elternteil von Sozialleistungen des Staates unabhängig zu machen. Die Anrechnung der Zahlungen für die Betreuungseinrichtungen an sich führt dann dazu, dass dieses Geld dem Kind dann zu seinen Lebenshaltungskosten nicht mehr zur Verfügung steht, mit der Folge, dass die Lebenshaltung des Kindes nicht mehr gewährt ist. Etwas anderes gilt nur für die Verpflegungskosten in der Betreuungseinrichtung, da hier eine echte Einsparung im elterlichen Haushalt gegenübersteht.

Im Übrigen führt dies auch dazu, dass der erziehende Elternteil die Entscheidung darüber, ob er das Kind fremd- oder selbst betreuen will, nicht mehr treffen kann. Der Elternteil, der die Leistungen an Dritte zahlt, bestimmt damit nicht nur, ob das Kind in eine Betreuungseinrichtung geht, sondern auch noch, in welche Betreuungseinrichtung das Kind geht.

Auch wenn hier gesehen wird, dass die Betreuung in einer Betreuungseinrichtung sicherlich für einen großen Teil der Kinder eine persönliche Förderung darstellt, kann es nicht Sinn des UVG sein, dergestalt in die Dispositionsbefugnis und die Selbstbestimmung der Einelternfamilien einzugreifen.

Vor diesem Hintergrund wird sich auch erlaubt, die Frage zu stellen, was unter „vergleichbaren Aufwendungen für die Betreuung des Kindes“ zu verstehen ist. Die Rechtsprechung geht zurzeit (in nach Ansicht des djb unumstrittener Weise) davon aus, dass als Fremdbetreuungsmöglichkeit für das Kind durch den getrennt lebenden Elternteil nicht bestimmt werden kann, dass dieses Kind durch die Großeltern oder durch Familie des getrennt lebenden Elternteils betreut werden muss, ohne dass der alleinerziehende Elternteil hier zugestimmt hat. Durch die Umfunktionierung der Großeltern oder anderer Mitglieder der Familie des getrennt lebenden Elternteils zur „vergleichbaren Betreuungseinrichtung“ des Kindes und durch die Zahlungen eines Teils der Kindesunterhalts an diese könnte der betreuende Elternteil damit faktisch gezwungen werden, diese Betreuung in Anspruch zu nehmen, ohne dass es hierüber ein Einverständnis zwischen den Parteien gibt. Ein derartiger Eingriff wäre mit dem Kindeswohl nicht vereinbar.

Die Unterscheidung, welche Zahlung dem Kind „zugute kommt“, kann dann auch nicht dem Jugendamt als Entscheider aufgelastet werden, dies würde dem Gedanken der Entbürokratisierung völlig zuwiderlaufen.
 

§ 3 Dauer der Unterhaltsleistung

Die Klarstellung, dass der 72-Monats-Zeitraum auch dann abläuft, wenn die Unterhaltsvorschussleistung womöglich in voller Höhe von der oder dem Unterhaltspflichtigen ersetzt wird, ist nicht nachzuvollziehen und dient weder der Entbürokratisierung noch dem Wohl der Kinder, sondern führt lediglich zu Einsparungen in den Sozialleistungskassen. Auch wenn hier gesehen wird, dass die Sozialleistungskassen sich in einer angespannten Zahlungssituation befinden, kann dies hier nicht nachvollzogen werden. Es muss gesetzlich klargestellt werden, dass sich der Leistungszeitraum von 72 Monaten lediglich aus den nicht rückerstatteten Beträgen ergeben kann.

Insbesondere im Bereich der nichtehelichen Väter kommt es sehr häufig vor, dass der nichteheliche Vater erst die Vaterschaft feststellen lässt, bevor er die Unterhaltszahlungen aufnimmt. Nach Feststellung der Vaterschaft werden die ausstehenden Beträge, die durchaus mehr als 24 Monate ausmachen können, dann nachgezahlt. Es ist hier aus Sicht des djb nicht nachzuvollziehen, dass diese Monate dann trotz Nachzahlung für das Kind verbraucht sein sollen. Ohnehin stellt die Zahl von 72 Monaten nur die Hälfte des Zeitraums dar, in dem Unterhaltsvorschuss für die Kinder grundsätzlich gezahlt wird.

Auch die Formulierung „damit sich der alleinerziehende Elternteil auf die neue Lebenssituation einstellen kann“, kann hier nicht nachvollzogen werden. Die neue Lebenssituation ist in diesem Falle die Armut der Einelternfamilie. Die Unterstützung der alleinerziehenden Eltern kann nicht auf Basis eines Null-Summen-Spiels vollzogen werden.
 

§ 4 Beschränkte Rückwirkung

Der Wegfall der beschränkten Rückwirkung führt dazu, dass der alleinerziehende Elternteil zwei Anträge stellen muss. Wenn die/der Unterhaltspflichtige in einem Monat wegen Zahlungsunfähigkeit nicht zahlt, muss der alleinerziehende Elternteil zusätzlich zu den Durchsetzungsbemühungen gleichzeitig vorsorglich einen Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II stellen, um sicherzugehen, dass nicht ein voller Monat Kindesunterhalt ausfällt.

Statt der Einsparung, die hier in Aussicht gestellt wird, wird der alleinerziehende Elternteil so zwei Anträge stellen müssen: einen Antrag bei der Unterhaltsvorschusskasse und vorsorglich einen Antrag bei der Arbeitsgemeinschaft nach dem SGB II. Eine volkswirtschaftliche Einsparung kann hier nicht gesehen werden.

Es wird hier davon ausgegangen, dass die Voraussetzung, dass sich der unterhaltsberechtigte Elternteil zumutbar bemüht hat, die Unterhaltsleistung des zahlungsverpflichteten Elternteils einzutreiben, zugunsten der Staatskasse aufrechterhalten wird. Diese Voraussetzung muss also ohnehin von der Unterhaltsvorschusskasse überprüft werden, eine Verringerung des Prüfaufwands kann hier nicht nachvollzogen werden.
 

§ 7 Übergang der Ansprüche

Die Klarstellung, dass der Unterhaltsrückerstattungsanspruch in dynamisierter Form geltend gemacht wird, wird ausdrücklich begrüßt, auch wenn es sich lediglich um eine redaktionelle Klarstellung handelt.
 

§ 12 Bericht

Die Einführung der Berichtspflicht des § 12 wird ausdrücklich begrüßt, da mit der Einführung der Auskunftspflicht der Kreditinstitute in den verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Selbstbestimmungsrechts des Unterhaltspflichtigen und in das Bankengeheimnis eingegriffen wird. Es sollte hier wenigstens sichergestellt werden, dass sich dies positiv auf den vom Unterhaltspflichtigen gezahlten Unterhalt auswirkt.

Im Übrigen wird hinsichtlich der schlechten Rückholquote darauf hingewiesen, dass der Zusammenhang zum Personalmangel in den Jugendämtern trotz der kleinen Anfrage der Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Deligöz, Kai Gehring und weiterer Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drucksache 17/2080 auch in der Antwort der Bundesregierung vom 30. Juni 2010 (BT-Drucksache 17/2337) nicht geklärt werden konnte. Auch Anfragen bei den Kreditinstituten müssen durch ausreichend personell ausgestattete Jugendämter geführt werden.

Ramona Pisal                                                                
Präsidentin                                                                    

Dr. Angelika Nake
Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und
Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften