Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt die aktuellen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 05.12.2024 (8 AZR 370/20 und 8 AZR 372/20) zur Überstundenvergütung vom Teilzeitbeschäftigten. „Mit den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts wird die bundesdeutsche Rechtsprechung auf der Grundlage unionsrechtlicher Vorgaben endlich korrigiert und die Entgeltdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten auch durch Tarifverträge beendet,“ so Ursula Matthiessen-Kreuder, Präsidentin des djb.
Den Verfahren vor dem BAG lagen tarifvertragliche Regelungen zugrunde, die für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten voraussetzen. Auf zwei Vorabentscheidungsersuchen des BAG aus 2020 und 2021 hin hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, dass die Festlegung solcher an der Regelarbeitszeit orientierten Bezugsvoraussetzungen sowohl gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten (EuGH 19.10.2023 Rs. C-660/20 Lufthansa CityLine) als auch gegen das Verbot mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und Art. 157 Abs. 1 AEUV verstößt (EuGH 29.07.2024 Rs. C-184/22 KfH).
Erwiesenermaßen betreffen solche Vorgaben einen signifikant höheren Anteil von Frauen als Männer, denn nach wie vor sind in Teilzeitarbeit überwiegend Frauen beschäftigt. Frauen sind gleich doppelt betroffen, weil die eigentlichen Gründe für die Teilzeitarbeit in der ebenfalls nicht bezahlten Sorgearbeit liegen.
Das Urteil des BAG zeigt, auch wenn tarifvertragliche Regelungen auf den ersten Blick geschlechtsneutral erscheinen, können von ihnen diskriminierende Wirkungen ausgehen, weil Frauen von der gleichen Regelung erheblich härter getroffen sind als Männer. Dass das Gebot der Entgeltgleichheit für Tarifverträge gilt und der Mechanismus der tarifautonomen Aushandlung nicht automatisch Diskriminierung verhindert, ist auch vor dem Hintergrund der bis Juni 2026 in nationales Recht umzusetzenden Entgelttransparenzrichtlinie (EU) 2023/970 bedeutsam. „Um die Gleichstellung der Geschlechter in der Privatwirtschaft zu erreichen, müssen auch die Tarifparteien für die Gestaltung diskriminierungsfreier Strukturen sensibilisiert und die Durchsetzungsmacht jener gestärkt werden, die sich für Gleichstellung einsetzen,“ sagt Prof. Dr. Isabell Hensel, Vorsitzende der Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrechtskommission des djb.
Konkrete Handlungsbedarfe und -hinweise für die Tarifparteien benennt der djb in seinem Forderungspapier vom 05.03.2024 sowie in der in Kürze erscheinenden Neufassung der Konzeption für ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft.