Pressemitteilung: 20-48


Trotz verpasster Chance: Der Kampf für Parität in den Parlamenten geht weiter!

Pressemitteilung vom

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat heute das erste Paritätsgesetz der Bundesrepublik gekippt. Danach sollten alle Parteien dazu verpflichtet werden, Frauen und Männer zu gleichen Teilen auf ihren Landeslisten zur Parlamentswahl zu berücksichtigen.  Die Entscheidung schließt sich dem Thüringer Verfassungsgerichtshof an, der das Gesetz auf Antrag der AFD-Fraktion im Landtag bereits im Juli für nichtig erklärt hatte.

„Das Verfassungsgericht hat heute die Chance verpasst, den vom Brandenburger Parlament gesetzten Meilenstein für Demokratie und Gleichberechtigung zu zementieren. Nichtsdestotrotz geht die Debatte um die Verfassungsmäßigkeit von Paritätsgesetzen in Deutschland weiter. Der Deutsche Juristinnenbund wird sich weiter für die Anerkennung eines Demokratieverständnisses einsetzen, das die über Jahrhunderte etablierte Verdrängung von Frauen aus der politischen Sphäre und das Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetzes nicht ausblendet.“, kommentiert Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb).

Dass ausgerechnet das Organstreitverfahren der NPD als auch die Verfassungsbeschwerden einzelner AFD-Abgeordneter das Gesetz zu Fall brachten, ist ein bedauerliches Signal in die Richtung aller engagierten Parlamentarier*innen und bundesweiten Frauenverbände, die sich seit Jahren für Parität einsetzen. Die Verwirklichung des Förderungsgebotes aus Art. 3 II GG zur Herstellung der Chancengleichheit von Frauen und Männern bei der Erlangung politischer Mandate lässt damit weiter auf sich warten. Dieses fordert keineswegs Ergebnisgleichheit, ermöglicht aber gesetzliche Maßnahmen zur Überwindung struktureller Nachteile von Frauen.  

Das Gericht verweist darauf, dass die Einschränkungen in Programm- und Organisationsfreiheit der Parteien und die passive Wahlrechtsfreiheit auf Verfassungsebene legitimiert werden müssen, gibt Art. 3 II GG jedoch nicht das hinreichende Gewicht für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. „Der Blick auf rein formale Gleichbehandlung greift zu kurz in einer Situation struktureller Benachteiligung. Schließlich gab es noch nie ein paritätisch besetztes Parlament in der Geschichte der Demokratie in Deutschland. Hier müssen demokratische Gesetzgebungen angemessene Maßnahmen ergreifen dürfen.“, so Wersig weiter.

Die heutige Entscheidung kann die Debatten um verfassungskonforme Paritätsgesetze dennoch weiter befruchten. Denn zukünftige Vorhaben werden genau auf die konkrete Ausformulierung der Paritätsgesetze achten müssen, um alle Verfassungsgüter in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. So stellt sich beispielsweise die Frage, was die Rechtsfolgen einer nicht (vollständig) paritätisch aufgestellten Wahlliste sein können und welcher Eingriff in die Parteienfreiheit hier zulässig wäre. Ob es aber wirklich verfassungsändernde Mehrheiten braucht, um Art. 3 Abs. 2 GG zur Umsetzung zu verhelfen, wird die Zukunft zeigen.