„Mit dem heutigen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist eine Chance vertan zu bestätigen, dass das generische Maskulinum nicht nur sprachlich, sondern auch rechtlich diskriminierend ist. Die aus formalen Gründen getroffene Entscheidung weist dennoch auf Lücken bzw. Reformbedarfe des geltenden Rechts hin. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht in der Sache entschieden, die Gesetzgebung kann aber selbstverständlich tätig werden. Denn auch die Rechtssprache ist geprägt von Zeiten, in denen Frauen noch keine gleichen Rechte hatten oder als Rechtssubjekte gar nicht vorkamen. Es ist an der Zeit, das zu ändern und das historische Unrecht nicht in der Sprache zu perpetuieren.“, kommentiert die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb) Prof. Dr. Maria Wersig den heute veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Mit diesem Beschluss hat das Gericht eine Verfassungsbeschwerde zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Sparkassenvordrucken und -formularen nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Klägerin, die in Vordrucken ihrer Sparkasse als „Kundin“, „Kontoinhaberin“, „Einzahlerin“ oder „Sparerin“ bezeichnet werden möchte, war im März 2018 in dritter Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gescheitert. Nach dem allgemein üblichen Sprachgebrauch und Sprachverständnis – so der BGH im Leitsatz der damaligen Entscheidung – könne der Bedeutungsgehalt einer grammatisch männlichen Personenbezeichnung jedes natürliche Geschlecht umfassen.[1] Die Verwendung des sogenannten „generischen Maskulinums“ sei daher keine Diskriminierung.
Die linguistische Forschung zeigt demgegenüber, dass die Verwendung des „generischen Maskulinums“ nicht geschlechtsneutral aufgefasst wird. Vielmehr bewirkt es, dass Frauen gedanklich in einem geringeren Maße bedacht und einbezogen werden. Geschlechtergerechte Sprachformen können das ändern.
„Der Beschluss der Zweiten Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts wirft gleichwohl wichtige Rechtsfragen der Diskriminierungspotenziale von Sprache auf. Dies betrifft die Sprachverwendung im Grundgesetz selbst und die nicht hinzunehmenden Hürden der Rechtsdurchsetzung.“, so Wersig weiter.
Männlich konnotierter Sprachgebrauch in Gesetzen
Zum einen verwendet das Grundgesetz selbst an verschiedenen Stellen das generische Maskulinum. Trotz einer amtierenden Bundeskanzlerin und der zunehmenden Zahl von Ministerinnen kennt das Grundgesetz nach wie vor etwa nur den Bundeskanzler und die Bundesminister. Damit liefert das Grundgesetz, ebenso wie viele andere Gesetze, die rechtliche Argumentation, am generischen Maskulinum und dem historischen Status quo festzuhalten, denn, so der BGH sinngemäß: Wenn das Grundgesetz selbst das generische Maskulinum verwendet und damit Frauen sprachlich ausschließt, können sich Frauen auch nicht auf den Schutz vor Diskriminierung in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG berufen. Die in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG formulierte Verpflichtung des Staates, Nachteile zulasten von Frauen zu beseitigen, läuft damit sprachlich ins Leere. Marianne Grabrucker hat bereits 1993 in ihrem Buch „Vater Staat hat keine Muttersprache“ darauf hingewiesen, dass der männlich konnotierte Sprachgebrauch in Gesetzen aus der jahrhundertelangen gesellschaftlichen und rechtlichen Unterdrückung der Frau resultiert. „Dieses Ergebnis sehen wir bis heute. Die deutsche Rechtssprache ist durch Gesetze aus den Jahren 1871 bis 1900 geprägt, in denen es – der damaligen Realität entsprechend – lediglich das männliche Rechtssubjekt gab, denn im allgemeinen Rechtsverkehr handelten fast ausschließlich Männer. Es ist Zeit, dies zu ändern!“, so die djb-Präsidentin.
Unzureichende Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung
Zum anderen weist die Klage auf unzureichende rechtliche Durchsetzungsmechanismen hin. Das Saarländische Landesgleichstellungsgesetz – in dessen Geltungsbereich die kritisierten Sparkassenformulare fallen – verpflichtet Behörden und Dienststellen in § 28 LGG, dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Frauen und Männern durch geschlechtsneutrale Bezeichnungen Rechnung zu tragen, auch bei der Gestaltung von Vordrucken. Bei der Sparkasse Saarbrücken wird § 28 LGG jedoch nicht umgesetzt. Gleichzeitig haben Kundinnen der Bank – so der BGH – keine Möglichkeit, § 28 LGG einzuklagen, weil die Regelung keine drittschützende Wirkung habe und daher kein subjektives (Klage-)Recht vermittelt. Somit läuft auch die Regelung im Landesgleichstellungsgesetz ins Leere. Die Gesetzgebung in Bund und Ländern sollte die Frage aufgreifen und, wo noch nicht geschehen, klarstellen, dass mit der objektiven Verpflichtung zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache auch ein subjektives (individuell einklagbares) Recht auf diese Sprache einhergeht.
[1] BGH, Urteil vom 13.3.2018 – VI ZR 143/17, Leitsatz.