Pressemitteilung: 16-03


djb fordert Strafbarkeit der tätlichen sexuellen Belästigung und Paradigmenwechsel in der Reform des Sexualstrafrechts

Pressemitteilung vom

--- djb-Stellungnahme vom 18.2.2016 zum Referentenentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung ---

Die Einleitung der Verbändeanhörung zum Referentenentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung am 22. Dezember 2015 hat der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) erfreut zur Kenntnis genommen. Die nachfolgenden Ereignisse in der Silvesternacht und die daran anschließenden Diskussionen in Fachkreisen und der Gesellschaft haben den guten Ansatz des Entwurfs jedoch überholt.

„Wir brauchen den Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht hin zum lückenlosen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung, wie es der djb nicht erst seit 2014 unablässig fordert“, so Präsidentin Ramona Pisal.

„Aber auch tätliche sexualisierte Belästigungen in jeder Form sind strafwürdig. Die bisherige Rechtslage sieht das sogenannte „Angrapschen“ grundsätzlich nicht als sexuelle Handlung, damit bleibt es in der Mehrzahl der Fälle straflos. Derartige sexualisierte (Über-)Grif­fe, die vor allem Frauen immer wieder erleben, müssen als Straftat angezeigt werden können. Das Rechtsempfinden in der Gesellschaft geht zu Recht weit überwiegend von der Strafbarkeit solcher Handlungen aus. Dies haben die Diskussionen nach den Ereignissen in der Silvesternacht 2015/2016 deutlich gezeigt. Dem muss die Gesetzeslage angepasst und ein Straftatbestand der tätlichen sexualisierten Belästigung in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden.“

Hintergrund:

2011 hat Deutschland die Istanbul-Konvention des Europarats unterschrieben, die Vertragsstaaten in Art. 36 verpflichtet, nicht einverständliche sexuelle Handlungen unter Strafe zu stellen. Um die Istanbul-Konvention ratifizieren zu können, muss die Rechtslage im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs – Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – diesem Erfordernis angepasst und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ohne Einschränkung geschützt werden.

Dies hat der djb wiederholt gefordert, u.a. in seinen Stellungnahmen vom 9. Mai 2014 und vom 25. Juli 2014. Auch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) sieht inzwischen die Notwendigkeit einer Reform. Gleichwohl werden im Referentenentwurf des BMJV zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung nur „kleine Änderungen“ vorgeschlagen, mit denen Schutzlücken geschlossen werden sollen. Eine umfassende Reform des 13. Abschnitts des Strafgesetzbuchs (StGB) soll später geprüft werden. Auch dieser reduzierte Reformvorschlag wurde zunächst nicht veröffentlicht.

Der djb hatte deshalb mit offenem Brief vom 24. November 2015 an das Bundeskanzleramt die Eröffnung der Verbändeanhörung gefordert, die schließlich am 22. Dezember 2015 erfolgt ist.

Mit seiner heute veröffentlichten Stellungnahme legt der djb dar, dass die vorgeschlagenen Änderungen zwar ein Schritt in die richtige Richtung sind, der jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht ausreichend ist.