Pressemitteilung: 09-09


djb begrüßt Rechtsgutachten zur paritätischen Besetzung von Kandidatenlisten und Wahlkreisen mit Frauen und Männern zur Wahl des Deutschen Bundestages und unterstützt entsprechende gesetzliche Quotenregelungen ("Parité")

Pressemitteilung vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) begrüßt das am 10. August 2009 in Berlin von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgestellte Rechtsgutachten von Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski, Universität Kassel. Das Gutachten legt dar, dass die gesetzliche Quotierung von Kandidatenlisten und Wahlkreisen im Vorfeld der Bundestagswahlen nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern darüber hinaus auch zur Beseitigung der seit Jahren anhaltenden Unterrepräsentanz von Parlamentarierinnen im Deutschen Bundestag verfassungsrechtlich geboten ist.

Obgleich die wahlberechtigten Frauen in Deutschland seit Jahren in der Mehrheit sind (z. B. Bundestagswahl 2005: von knapp 61,9 Mio. Wahlberechtigten waren 32,2 Mio. Frauen, hingegen nur 29,4 Mio. Männer, Quelle), stagniert der Anteil der weiblichen Abgeordneten (wA) im Bundestag seit 1998 bei etwa 30 % (zielführend waren insoweit interne Frauenquoten einzelner Parteien: SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke – zuvor zum Vergleich: BT 1957: 10,7 % wA, BT 1972: 5,8 % wA), während der Anteil der männlichen Abgeordneten (mA) etwa 70 % ausmacht (zuvor: BT 1957: 89,3 % mA, BT 1972: 94,2 % mA). Die Mehrheit des (Wahl-)Volks und deren Interessen – also die Wählerinnen und deren Interessen – wird demnach seit Jahren nicht angemessen im Deutschen Bundestag repräsentiert.

Damit leidet die „repräsentative Demokratie“ in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahren an einem nicht mehr zu übersehenden demokratischen Defizit. Denn als Kerngehalt des Demokratiegebots gilt der allgemeine Gleichheitssatz. Er stellt eines der tragenden Konstitutionsprinzipien der freiheitlich-demokratischen Verfassung dar (BVerfGE 6, 257, 265) und wird insbesondere durch die speziellen Gleichheitssätze des Art. 3 Abs. 2 GG (Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern) und Art. 3 Abs. 3 GG (strikte Diskriminierungsverbote) konkretisiert. Daher umfasst „Volksherrschaft“ im 21. Jahrhundert zwingend eine faire, gleichberechtigte demokratische Teilhabe von Frauen – und Männern – an der politischen Herrschaftsausübung.

Der staatliche Auftrag aus Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG richtet sich heute vor allem darauf, faktische, vor allem (subtile) strukturelle Benachteiligungen von Frauen zu beseitigen, die angesichts der anhaltenden Unterrepräsentanz von weiblichen Abgeordneten in allen deutschen Parlamenten, insbesondere im Deutschen Bundestag, offensichtlich vorhanden sind. Wie das Gutachten von Prof. Dr. Laskowski überzeugend ausführt, stellen Quotenregelungen auch insoweit verfassungsrechtlich zulässige und gebotene Fördermaßnahmen i. S. v. Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG dar, die nicht zu einer Verletzung der Parteienfreiheit gem. Art. 21 GG oder der Wahlrechtsgrundsätze gem. Art. 38 GG führen. Sie gestalten die Parteienfreiheit gem. Art. 21 GG vielmehr im Rahmen der innerparteilichen demokratischen Grundsätze hinsichtlich der gebotenen effektiven demokratischen Teilhabe von Frauen aus.

Dazu die Präsidentin des djb Jutta Wagner: "Gesetzliche Regelungen zur Quotierung von Kandidatenlisten und Wahlkreisen für Parlamentswahlen sind in Deutschland schon lange überfällig, um eine chancengleiche demokratische Teilhabe von Frauen durchzusetzen. Eine künftige gesetzliche Quotenregelung nach dem Vorbild des französischen Parité-Gesetzes ist zu begrüßen."