Der Mut zum Kind soll gefördert werden: durch Elterngeld und Steuererleichterungen und Kinderbetreuungseinrichtungen. „In diesem Klima haben wir gehofft, dass endlich auch in der gesetzlichen Rentenversicherung die gravierenden Nachteile abgebaut werden, die sich aus einer nichtkontinuierlich ausgeübten Erwerbsarbeit ergeben. Die neue Grenze von 45 Beitragsjahren ist eine neue Hürde für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit. Sie wirkt in rechtlich bedenklicher Weise nachteilig für Frauen. Die 45 Jahre dürften vom Gesetzgeber mit finanziellen Gesichtspunkten begründet werden. Da es aber für dieses Ziel andere Lösungen gibt, die für Frauen weniger nachteilig wirken, sind die 45 Jahre nicht zu rechtfertigen,“ erklärte Ursula Rust, Professorin am juristischen Fachbereich der Universität Bremen und Mitglied der Kommission „Recht der sozialen Sicherung, Familienlastenausgleich“ des Deutschen Juristinnenbundes mit Blick auf die im Kabinett beschlossene Änderung des Rentenrechts. Der Gesetzentwurf liegt zwar noch nicht vor. Die vorgeschlagene Änderung dürfte aber zwei Punkte regeln
- Erhöhung des Renteneintrittsalters für die abschlagsfreie Rente von 65 auf 67 Jahre,
- Anhebung der für die Altersrente für langjährig Versicherte erforderlichen Versicherungsjahre von 35 auf 45.
In dieser Kombination liegt das Risiko des Vorschlags für Versicherte mit Kindern.
Typischerweise waren es bisher in den alten Bundesländern und sind es heute in Deutschland die Mütter, die ihre Erwerbsarbeit unterbrechen und danach dauerhaft in Teilzeit arbeiten. Solange es nicht ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen mit berufskompatiblen Öffnungszeiten gibt, können viele Frauen überhaupt nur in Mini-Jobs mit Mini-Rentenbeiträgen arbeiten. Seit Jahrzehnten liegt aus diesen Gründen die durchschnittliche Frauenrente um ca. 50 % unter der durchschnittlichen Männerrente –und es steht nicht zu erwarten, dass sich daran in den nächsten Jahrzehnten ohne eine Strukturreform der Rentenversicherung, die die mittelbaren Diskriminierungen des Arbeitsmarktes für Erziehungspersonen kompensiert, etwas ändern wird –solange der Erwerbsarbeitsmarkt Frauen fortgesetzt diskriminiert. „Die allermeisten Frauen werden nicht abschlagsfrei vor dem 67. Lebensjahr in Rente gehen können, weil sie keine 45 Beitragsjahre aufbringen. Sie werden auch im Alter noch hinzuverdienen müssen, wenn sie nicht auf die Sozialhilfe angewiesen sein wollen.“
Parallel rüttelt die Arbeitgeberseite, bisher wohl aber nicht die Bundesregierung, an der Hinterbliebenenrente. Sie ist derzeit das Auffangnetz, das für Frauen im Alter durchschnittlich die Altersarmut verhindert. Unter den gegebenen Umständen wird sie auch in Zukunft als Auffangnetz dringend benötigt. „Nur eine strukturelle Veränderung des Rentensystems könnte einen Verzicht auf die Hinterbliebenenrenten erlauben.“