Die am Wochenende in Hamburg gewählte neue Präsidentin des
Deutschen Juristinnenbundes (djb), Margret Diwell, sieht in dem
kürzlich vorgestellten Referentenentwurf eines
Zuwanderungsgesetzes die Befürchtung des djb bestätigt (vgl.
Focus Nr. 47/2000 "Schily, der Macho-Minister"), dass die
Zuwanderungskommission, die Bundesinnenminister Otto Schily fast
ausschließlich mit Männern besetzt hat, die Interessen von Frauen
völlig übergeht.
Margret Diwell: "Dass Frauen ausreichend berücksichtigt wurden,
ist weder aus dem Wortlaut noch aus der Begründung des
Gesetzentwurfs erkennbar. Im langfristigen gesellschaftlichen
Interesse liegt es jedoch, dass auch qualifizierte Frauen nach
Deutschland kommen. Für die Integrationsmöglichkeiten der
Zuwandernden und eine geschlechtergerechte gesellschaftliche
Struktur insgesamt ist es unbedingt notwendig, dass Frauen nicht
nur als Familienangehörige oder Engpassarbeitskräfte in niedrig
bezahlten Berufssparten zuwandern." Der djb fordert die
Gleichberechtigung der Geschlechter unter dem Gesichtspunkt des
gesamtgesellschaftlichen Interesses und als Auswahlkriterium in
die vorgeschlagenen Einzelregelungen und auch in die
Gesetzesbegründung aufzunehmen. Diwell: "Mit dem
Zuwanderungsgesetz sendet die Bundesrepublik Deutschland eine
Botschaft an migrationswillige Menschen in aller Welt aus. Diese
Botschaft muss lauten: In Deutschland wird Gleichberechtigung
ernst genommen. Willkommen als Arbeitsmigranten sind genauso
Frauen wie Männer." Der djb erwartet, dass bei der Zuwanderung
gerade qualifizierte und hochqualifizierte Frauen, die in ihrer
Heimat nur wenig Chancen haben, eine ihrer Ausbildung
entsprechende Beschäftigung zu finden, ausdrücklich dazu zu
ermutigt werden, sich in Deutschland zu bewerben.
Der djb kritisiert aber auch die fehlende Beteiligung von
Fachverbänden am Gesetzgebungsverfahren. Diwell: "Der djb fordert
die Bundesregierung auf, die Reform des Ausländer- und Asylrechts
in einem Gesetzgebungsverfahren ohne wahlkampftaktisch bestimmte
Hektik zu erarbeiten. Insbesondere müssen die Fachverbände und
-organisationen - hierzu gehören auch die Frauenorganisationen -
trotz des außerordentlich engen Zeitrahmens, der für die Beratung
des Gesetzentwurfes vorgesehen ist, angehört und ihre
Stellungnahmen in die Beratung des Gesetzes einbezogen werden."
Diwell weist auf die heute vorgelegte Stellungnahme des djb zu
dem Referentenentwurf eines Zuwanderungsgesetzes hin, die in den
nächsten Tagen an die Bundesregierung und die Bundestagsparteien
gehen wird.. Zwei Punkte werden besonders kritisiert:
- Der djb sieht bei der vorgeschlagenen Regelung des Zuzugs qualifizierter Arbeitskräfte die Gefahr einer Benachteiligung von Frauen. Die Rekrutierung nahezu ausschließlich männlicher Gastarbeiter in den 60er und 70er Jahren führte zu gravierenden sozialen Problemen. Dass künftig nachziehende Familienangehörige von Arbeitsmigranten - ganz überwiegend Ehefrauen - ohne Wartezeit Zugang zum Arbeitsmarkt haben sollen, genügt aus Sicht des djb nicht. Die jetzt im Gesetz vorgesehenen Auswahlkriterien (möglichst jung, mehrjährige Berufserfahrung, Führungserfahrung) werden die faktisch nach Geschlechtern differenzierende Anwerbung nicht verhindern können. Hier sieht der djb Nachbesserungsbedarf. Ein künftiges Zuwanderungsrecht sollte Regeln enthalten, die die Erwerbsarbeit von Frauen fördern und Frauen ermutigen, sich zu bewerben. "Unter den Frauen findet sich ein Potential hoch qualifizierter Arbeitskräfte nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland, das bislang viel zu wenig genutzt wird. Wir können uns eine solche Politik nicht mehr leisten", so die Präsidentin des djb, Margret Diwell.
- Der djb fordert zudem eine menschenrechtliche Asylpraxis, die Frauen, die von geschlechtsspezifischer Verfolgung betroffen sind, den rechtlich sicheren Status als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zubilligt. Die politische Verfolgung von Frauen reicht von ihrer Entrechtung über sexuelle Gewalt bis hin zur rituellen Tötung. Im künftigen § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz sollte daher ausdrücklich klargestellt werden, dass eine Person nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, "in dem ihr Leben, ihr Körper oder ihre Freiheit wegen (...) ihres Geschlechts bedroht ist".
Bonn, den 10. September 2001