Pressemitteilung: 01-02


Schlussanträgen des Generalanwalts Siegbert Alber vom 22.02.01 in der beim EuGH anhängigen Rechtssache C-366/99

Pressemitteilung vom

Der Kläger bezieht als französischer Beamter eine Pension nach einer nur für Beamte geltenden gesetzlichen Regelung. Er ist Vater dreier Kinder und nimmt für sich eine Bonifikationsregelung in Anspruch, die nur für Beamtinnen die zusätzliche Anrechnung eines fiktiven, ruhegehaltsfähigen Dienstjahres u.a. für jedes leibliche Kind vorsieht.

Der Generalanwalt sieht diese Beamtenpension als Arbeitsentgelt an und unterstellt die Regelungen dem Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EG-Vertrag (jetzt Art. 141). Eine unzulässige Diskriminierung von Vätern verneint er, weil die Regelung an die Mutterschaft und die Rolle der Frau als Mutter anknüpfe und besondere Erschwernisse abgelten solle, denen Mütter im Verlaufe des Erwerbslebens z.B. durch geringere Karrierechancen begegneten. Selbst wenn Väter Familienpflichten übernähmen, wirke sich dies erfahrungsgemäß nicht so karrierehemmend aus.

 

So sinnvoll es erscheint, für alle Personen mit Familienpflichten einen finanziellen Ausgleich für berufliche Nachteile auch nach dem aktiven Dienstverhältnis zu schaffen, „perpetuiert die Ansicht des Generalanwalts das überkommene Rollenbild der Frau, die als Mutter selbstverständlich die Familienpflichten allein zu übernehmen hat“, erklärt die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes Margret Diwell. Der bundesdeutsche Gesetzgeber stellt denn auch Familienförderung jeglicher Art Müttern und Vätern zur Verfügung. Es ist das erklärte Ziel z.B. des Bundeserziehungsgeldgesetzes, Väter zur Übernahme von Familienpflichten durch finanzielle Anreize zu bewegen. Wenn diese „neuen“ Väter dann nicht in den Genuss der erhöhten Pension kommen, wird letztlich den Frauen ein schlechter Dienst erwiesen.

Die Beobachtung, dass Mütter eher Karriereeinbußen erleiden als kinderlose Frauen, mag zutreffen, allerdings haben sie berufliche Nachteile nicht allein deshalb, weil sie Kinder haben, sondern weil sie diese betreuen und erziehen und deshalb Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit haben. Nicht richtig ist aber die vom Generalanwalt bemühte Erfahrung, dass es Vätern anders ergeht, wenn sie Familienpflichten übernehmen. Dazu gibt es noch viel zu wenig Väter, die Elternurlaub in Anspruch nehmen oder ihre Karrierebestrebungen zugunsten übernommener Familienpflichten zurückstellen. Hingegen gibt es durchaus Väter, die gemeinsam mit der Mutter Familienpflichten wahrnehmen. Eine pauschale Betrachtungsweise, orientiert an dem überkommenen Rollenbild der Frau als Mutter, verbietet sich daher.

Würde der EuGH den Schlussanträgen folgen, wäre es noch schwieriger für Frauen, die Gesellschaft zum Umdenken zu bewegen und Männer zu „neuen“ Vätern zu machen. Erst durch ein geändertes Rollenverständnis der Geschlechter lassen sich berufliche Nachteile durch Familienpflichten vermeiden; soweit es sie aber gibt  - gegenüber kinderlosen Ehepaaren -, muss der Gesetzgeber jedem Elternteil, das Familienpflichten übernimmt, berufliche Nachteile ausgleichen.

 

 
  


Bonn, den 26. Februar 2001

 

 

Margret Diwell

Stellvertretende Vorsitzende

des Deutschen Juristinnenbundes