Digitale Gewalt


Im digitalen Raum sind Hate Speech und Cyber Mobbing ein verbreitetes Mittel, um missliebige Meinungen und Personen zu verdrängen. Die Angriffe können sich über Jahre erstrecken und für die Betroffenen schwere gesundheitliche Auswirkungen haben wie Angstzustände, Depressionen und Suizidgedanken. Auch die ökonomischen Folgen können erheblich sein, wenn Auszeiten, Berufs- oder gar Identitätswechsel notwendig werden.

Netzfeminist*innen weisen schon lange darauf hin: Hass im Netz hat eine Geschlechterdimension. Wo Frauen sich im Netz öffentlich oder gar politisch äußern, riskieren sie sexistische Anmache, pornografische Pöbeleien, die Androhung von Vergewaltigungen bis hin zu Morddrohungen. Dies verletzt nicht nur die Persönlichkeitsrechte von Frauen, es verändert das gesamte Klima des Diskurses. Tatsächlich ziehen sich viele Frauen zurück und verlieren damit die Möglichkeit, am digitalen öffentlichen Diskurs zu partizipieren und ihn mitzugestalten. Dies bedeutet nicht nur die Verletzung individueller Rechte, sondern ist ein Problem für unsere Demokratie.

Das Geschäftsmodell vor allem der großen Tech-Firmen führt dazu, dass Algorithmen Inhalte bevorzugen, die besonders viele Reaktionen hervorrufen, also häufig solche, die polarisieren, skandalisieren und Hass schüren. Durch diese Verzerrungen entstehen Echokammern, in denen Hass und Diskriminierungen immer wieder neu bestätigt werden.

Wie wir 2021 in einem Policy Paper dargelegt haben, erweist sich das Netz als „antifeministische Radikalisierungsmaschine“, die Frauenhass potenziert und ihm eine bedrückende Wucht und Dynamik verleiht. Antifeminismus kann der Einstieg in extremistisches Denken werden und sich mit Rassismus, Antisemitismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verbinden und verstärken. Der extremste Ausdruck einer solchen Radikalisierung sind Terroranschläge wie etwa in Halle, Christchurch oder Toronto.

Daneben sieht der djb auch diskriminierende Algorithmen als eine Form der Gewalt an. Algorithmen spiegeln bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten nicht nur wider, sondern verstärken diese exponentiell. Wo immer Entscheidungsprozesse automatisiert und optimiert werden, die zugrunde liegenden Daten aber nicht repräsentativ sind beziehungsweise nur den Durchschnittsmann als Norm beinhalten, kommt es zu einer Fortschreibung struktureller Benachteiligung von Frauen. Frauen, die mehrfach Diskriminierungen ausgesetzt sind, fallen umso mehr aus dem Raster der künstlichen Intelligenz. Die Benachteiligung betrifft wesentliche Lebensbereiche wie das Arbeitsleben, etwa beim Einsatz von Algorithmen zur Auswahl von Bewerber*innen, den Gesundheitssektor, zum Beispiel beim Erkennen von Krankheitsbildern, aber auch Design und Funktionalität von Produkten.

 

 

Um digitaler Gewalt wirksam zu begegnen, fordert der djb unter anderem:

 

  • Das ab 2023/2024 europaweit geltende Digitale Daten Gesetz (Digital Services Act) mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt national zu begleiten, dass Betroffende von digitaler Gewalt umfassend unterstützt. Der djb fordert hierfür:
    • Bereitstellung eines elektronischen Verfahrens zum Stellen von Strafanträgen wegen Straftaten im Zusammenhang mit digitaler Gewalt. Dabei sollten auch Beweismittel wie Screenshots rechtssicher hochgeladen werden können. Auch die zivilrechtliche Verfolgung von digitaler Gewalt sollte digital möglich sein, zumindest einen Auskunftsanspruch sollten Betroffene elektronisch geltend machen können.
    • Die Einführung einer Verbandsklage bzw. der Prozessstandschaft inklusive Anonymisierungsmöglichkeiten, mit der Betroffene von digitaler Gewalt bei der Rechtsdurchsetzung unterstützt werden können. Um einen Selbstschutz gegen Hassattacken zu gewährleisten, sollten auch die geltenden Impressumspflichten angepasst und ein durch staatliche Schutzstellen vermittelter anonymisierter virtueller Raum ermöglicht werden.
    • Die Einführung richterlicher Accountsperren auf Antrag Betroffener von digitaler Gewalt und auch auf Antrag von unterstützenden Verbänden.
    • Die Bereitsstellung finanzieller Mittel für die Ausstattung von Beratungsstellen und flächendeckende Beratungsinfrastrukturen für Betroffene.

 

  • Hate Speech im digitalen Raum sollte als Beleidigungsdelikt auch ohne Strafantrag der verletzten Person verfolgt werden können, wenn dies den Interessen der verletzten Person nicht widerspricht.
  • Bestehende Strafbarkeitslücken im Bereich digitale Gewalt – insbesondere betreffend unbefugte Bildaufnahmen – sind zu schließen. Für Fälle bildbasierter sexualisierter Gewalt ist zu diskutieren, wie in Form einer Gefährdungshaftung Anspruchsgrundlagen auf finanziellen Ausgleich gegen Plattformen und weitere gesonderte Prüfpflichten geschaffen werden können.
  • Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Straftaten im Zusammenhang mit digitaler Gewalt sollten flächendeckend eingeführt und personell angemessen ausgestattet werden.
  • Fortbildungen für Justiz, Staatsanwaltschaft und Polizei, die für die geschlechtsspezifische Dimension digitaler Gewalt sensibilisieren, sollten verpflichtend sein.
  • Die Entschädigungsregelungen müssen auf Opfer psychischer Gewalt mit schweren Folgen ausgeweitet werden. Dies ist von großer Bedeutung für die Opfer von Hate Speech, die häufig mit erheblichen psychischen Folgen durch die Angriffe belastet sind.
  • Antifeminismus muss als Einstiegselement für extremistisches Denken anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie Rassismus oder Antisemitismus gleichgestellt und gleichermaßen bekämpft werden.

 

  • Um beim Einsatz von Algorithmen Grundrechte zu schützen und die Geschlechterperspektive zu integrieren, fordert der djb gesonderte rechtliche Vorgaben für Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere:
    • eine Regulierung solcher Systeme, die der Unterstützung oder Durchführung einer Entscheidungsfindung in den Bereichen Bewerbungs- und Personalmanagement, Arbeits- und Auftragsvermittlung, Gesundheitsversorgung und Pflege dienen;
    • Schaffung eines nach Risiken abgestuften Ordnungsrahmens für Algorithmen und autonome Systeme, der dem Ziel der Diskriminierungsfreiheit verpflichtet ist;
    • Diskriminierungsfreiheit und Geschlechtergerechtigkeit als Kriterien bei den Anforderungen an Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Datenqualität und Datenschutz, Bestimmungen zu Aufsicht und Kontrolle sind dabei unverzichtbar;
    • Aufnahme von konkreten Projekten zu einer geschlechtergerechten Technikgestaltung mit Abbau des Digital Gender Gap und des Gender Data Gap und umfängliche Maßnahmen für eine digitalisierungsbezogene über reine Anwendungsfähigkeiten hinausgehende mediale Bildung in die Digitalstrategie der Bundesregierung.

Pressemitteilungen und Stellungnahmen


Das Fotografieren unter den Rock von Personen, die damit nicht einverstanden sind (sogenanntes Upskirting), ist nach derzeitiger Rechtslage in… mehr 

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) unterstützt das Vorhaben des Bundesjustizministeriums, bisherige Lücken beim Schutz vor Cybergrooming zu… mehr 

Der djb bedankt sich für die Übersendung des vorbezeichneten Referentenentwurfs und die damit verbundene Gelegenheit zur Stellungnahme. 1. Einleitung… mehr 

Anlässlich der Öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) am 15. Mai… mehr 

Zum traditionellen Empfang des Deutschen Juristinnenbunds e.V. (djb) anlässlich des diesjährigen 72. Deutschen Juristentages (djt) in Leipzig begrüßt… mehr 

----- als pdf zum download ----- Der Deutsche Juristinnenbund bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Antrag der Fraktionen SPD und… mehr 

  ----- als pdf zum download ----- „Die 100 Tage Bilanz der Bundesregierung auf dem Gebiet der Frauen- und Gleichstellungspolitik ist durchwachsen“,… mehr 

  Frauenmenschenrechte spielen in allen UN-Menschenrechtsverträgen eine wichtige Rolle. Der Menschenrechtsausschuss ist das Gremium unabhängiger… mehr 

„Enttäuschend“, kommentiert die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V., Prof. Dr. Maria Wersig, die Ergebnisse der Sondierungsgespräche… mehr 

Mit Blick auf die Sondierungsgespräche und mögliche künftige Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD befürchtet der Deutsche Juristinnenbund… mehr 

Mit Blick auf die beginnende zweite Phase der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Bündnis  90/Die Grünen stellt die Präsidentin des… mehr 

Der Deutsche Juristinnenbund e. V. (djb) begrüßt ausdrücklich das Vorhaben, mit dem NetzDG die Rechtsdurchsetzung gegenüber sozialen Netzwerken zu… mehr 

djb in der Presse


Gewalt und Hass gegen Frauen sind Alltag. Und die Straftaten gegen Frauen nehmen noch zu. In Deutschland kamen im vergangenen Jahr 360 Frauen durch Gewalttaten ums Leben. Was muss getan werden, um Frauen besser zu schützen? Collien Ulmen-Fernandes erwähnt eine Position des Deutschen Juristinnenbunds. Link zur Webseite öffnen

Erstmals hat das BKA ein Lagebild zu geschlechtsspezifischer Gewalt vorgestellt. Viktoria Piekarska vom Juristinnenbund über rechtliche Unschärfen.  Link zur Webseite öffnen

Weltweit erleiden bis zu 70 Prozent der Frauen mindestens einmal in ihrem Leben sexuelle, körperliche oder seelische Gewalt. Der Aktionstag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen soll darauf aufmerksam machen. Mit Dilken Çelebi. Link zur Webseite öffnen

Nach einem Fachgespräch zum geplanten Gesetz „gegen digitale Gewalt“, zu dem gestern das Bundesjustizministerium einlud, ziehen Teilnehmende ein positives Fazit. Verena Haisch, Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, sagte meiner Kollegin Miriam Dahlinger: „Mein Eindruck ist, dass es nicht nur ein Gesetz gegen digitale Gewalt braucht, sondern dass wir auch eines kriegen werden.“  Link zur Webseite öffnen

Unter anderem Deutschland hat blockiert, dass es EU-weit einheitliche Standards für den Straftatbestand Vergewaltigung gibt. Unter anderem der Deutsche Juristinnenbund widerspricht den Ausführungen und den rechtlichen Bedenken von Marco Buschmann, der FDP und der Bundesregierung. Link zur Webseite öffnen

Die EU will Cyberstalking und Zwangsverheiratung künftig strenger bestrafen. Bei einer einheitlichen Ahndung von Vergewaltigungen gab es keine Einigung. Anders als Bundesjustizminister Buschmann nennt der Juristinnenbund eine Ausweitung des EU-Rechts für möglich. Link zur Webseite öffnen

In mehreren Berichten erzählen Betroffene von sexualisierter Gewalt im Metaverse. Doch die aktuelle Rechtslage schützt Betroffene kaum. Auch der Deutsche Juristinnenbund stellte im Juni 2023 zu sexualisierter Gewalt durch Bilder fest, es bestehe ein „lückenhafter und unsystematischer strafrechtlicher Schutz Erwachsener“. Link zur Webseite öffnen

Über 100 Frauen aus Politik, Kultur und Wirtschaft bitten Marco Buschmann in einem offenen Brief, seine Blockadehaltung in der EU aufzugeben. Auch der Deutsche Juristinnenbund e. V. (djb) hat den offenen Brief als Organisation unterzeichnet mit der Begründung, dass die rechtlichen Bedenken nicht zutreffen. Link zur Webseite öffnen

Über 100 prominente Frauen haben einen offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann verfasst. Sie wollen, dass die Bundesregierung einer EU-Richtlinie zum Schutz von Frauen gegen Gewalt zustimmt. Die Blockade Deutschlands - gestützt auf eine juristische Argumentation - sei auch aus Sicht des Deutschen Juristinnenbundes nicht überzeugend. Link zur Webseite öffnen

Der Deutsche Juristinnenbund kritisiert den „strafrechtlichen Schutz [von Erwachsenen] vor bildbasierter sexualisierter Gewalt“ als lückenhaft. Betroffene können zwar rechtlich gegen Deepfake Pornografie vorgehen, doch anders als Upskirting oder Downblousing (§ 184k StGB) gibt es keine explizite strafrechtliche Regelung für diesen Sachverhalt. Link zur Webseite öffnen

Wurde mittels KI ein Bild erstellt oder zugänglich gemacht, das eine Person sexualbezogen wiedergibt, und diese Person hat dem nicht eingewilligt, handelt es sich um bildbasierte sexualisierte Gewalt, schreibt der Deutsche Juristinnenbund. Hier gilt das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und das Recht am eigenen Bild.  Link zur Webseite öffnen

Auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Aidshilfe oder die Neuen deutschen Medienmacher:innen haben X verlassen, ebenso mehrere juristische Verbände wie der Deutsche Juristinnenbund oder die Neue Richtervereinigung. Link zur Webseite öffnen

Womöglich müsse ein neuer Straftatbestand geschaffen werden, um effektiver gegen Deepfake- Pornografie vorgehen zu können und mögliche Täter und Täterinnen abzuschrecken. Ähnliches hat auch bereits der Deutsche Juristinnenbund empfohlen, der ebenfalls „Lücken im strafrechtlichen Schutz vor bildbasierter sexualisierter Gewalt“ sieht. Link zur Webseite öffnen

Auch der Deutsche Juristinnenbund stellte in seinem Policy Paper «Bekämpfung bildbasierter sexualisierter Gewalt» von Juni dieses Jahres fest, dass das Thema im deutschen Strafrecht lückenhaft und unsystematisch geregelt sei.  Link zur Webseite öffnen

Allein um sich juristisch gegen bildbasierte Gewalt zu wehren, müssen Betroffene oft hohe Hürden überwinden. Die Rechtslage ist ein Flickenteppich. Der deutsche Juristinnenbund möchte die Lücken gerne stopfen und fordert etwa eine Reform des Strafrechts. Derzeit arbeiten sowohl die EU als auch das Bundesjustizministerium an neuen Gesetzen gegen digitale Gewalt. Link zur Webseite öffnen

Prof. Dr. Nikolaus Forgó von der Universität Wien spricht mit Anke Stelkens. Sie ist Rechtsanwältin in München und Vorsitzende der Kommission Digitales des Deutschen Juristinnenbundes. Der Deutsche Juristinnenbund hat sich in einer Stellungnahme ausführlich mit der Digitalisierungsstrategie der deutschen Bundesregierung befasst und dabei insbesondere Fragen der Geschlechtergerechtigkeit in den Blick genommen. Link zur Webseite öffnen

Der Deutsche Juristinnenbund fordert Genderkompetenz beim Aufbau von Strukturen für Open Data sowie mehr geschlechtsbezogene Datenerfassungen und -analysen. Nur so ließen sich die Chancen nutzen, die Digitalisierung für Geschlechtergerechtigkeit bietet. Die Juristinnen argumentieren: Wenn datenbasierte Entscheidungen getroffen werden, für die geschlechts bezogene Daten relevant sind, diese aber nicht zugrunde liegen, dann werden die Lebenswirklichkeit und die Bedürfnisse von Frauen nicht berücksichtigt. So werden im Gesundheitswesen, in der Pflege oder auch bei der Polizeilichen Kriminalstatistik, beispielsweise im Bereich Hasskriminalität, Daten noch nicht ausreichend nach Geschlecht erfasst. Werden dagegen datenbasierte Entscheidungen getroffen, für die geschlechtsbezogene Daten keine Relevanz haben dürfen, bei denen die Daten aber den Gender-Bias unsichtbar in sich tragen, wird Diskriminierung bestätigt und fortgeschrieben – ein bekanntes Problem im Bereich Arbeits- und Personalrecht. Link zur Webseite öffnen

Im Podcast der EMOTION-Verlegerin Kasia Mol-Wolf verrät Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, wie sie gegen Hate Speech und für einen geschlechtergerechten Sozialstaat kämpft. Link zur Webseite öffnen

"Frauen werden, anders als Männer, typischerweise sexistisch angegriffen, pornografisch angepöbelt und riskieren - neben den sonst üblichen Drohungen - explizite und detaillierte Vergewaltigungsankündigungen" – ein Bericht über die djb-Stellungnahme zur geplante Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vom 17. Januar 2020. Link zur Webseite öffnen