- Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme vom 23. Juni 2022 vor dem Ausschuss für Rechts- und… mehr
Arbeitsstab Ausbildung und Beruf
Der Arbeitsstab Ausbildung und Beruf beschäftigt sich mit Diskriminierung und Ungleichheiten in der juristischen Ausbildung. Wir machen auf Missstände aufmerksam, insbesondere auf die strukturelle Unterrepräsentation von Frauen in der juristischen Ausbildung und Wissenschaft und auf die Benachteiligung von marginalisierten Personen in den juristischen Staatsprüfungen. Wir möchten Lehrende, Lernende und Prüfende im Sinne eines intersektionalen Diskriminierungsschutzes sensibilisieren. Wir bringen uns konstruktiv in Diskussionen um die Reform der juristischen Ausbildung ein und beschäftigen uns u.a. mit der Qualitätssicherung und dem Diskriminierungsschutz im juristischen Prüfungswesen.
Diskriminierung in der juristischen Ausbildung
Diskriminierung in der juristischen Ausbildung sind für Studentinnen und Referendarinnen alltäglich. Häufig enthalten die Ausbildungsfälle sexistische Stereotype und stellen Frauen überwiegend in der Rolle der Hausfrau, der Angestellten oder des Opfers dar, wie eine Studie der Universität Hamburg belegt. Gleiches gilt für andere marginalisierte Gruppen: Sofern sie in Ausbildungsfällen überhaupt auftauchen, dann meist in stigmatisierenden Kontexten, z.B. als kriminelle Migrant*innen.
Der Arbeitsstab Ausbildung und Berufseinstieg stellt auf seinem Instagram-Kanal „üble nachlese“ problematische Fallbeispiele vor. Der Kanal lädt zum kritischen Hinterfragen ein und macht Vorschläge für eine diskriminierungskritische Alternative des Fallbeispiels. Das Team freut sich über Einreichung von Positiv- und Negativbeispielen.
Nicht überall in Deutschland können sich Betroffene von Diskriminierungen an eine unabhängige Anlaufstelle wenden. Mögliche Anlaufstellen können beispielsweise Fachschaften, Landesantidiskriminierungsstelle oder Frauenbeauftragte sein. In vielen Bezirken gibt es Personalräte und Frauenvertreterinnen nur für Referendar*innen. Teilweise besteht im Zweiten Staatsexamen die Möglichkeit, dass ein Mitglied des Personalrats die mündliche Prüfung besucht und vor der Notenvergabe eine Stellungnahme zur Einhaltung des Prüfungsrechts sowie möglicher Diskriminierung zu geben. Diese unabhängige Kontrollmöglichkeit muss sowohl geografisch als auch für das Erste Staatsexamen ausgebaut werden.
Mangelnde Repräsentation in Lehre und Ausbildungsfällen
Der Anteil weiblich besetzter juristischer Lehrstühle liegt bei nur rund 15 Prozent, wenngleich seit über zehn Jahren mehr Frauen als Männer Jura studieren. Auch die überwiegende Zahl der Lehrwerke und Kommentare ist von Männern verfasst. Studierenden fehlen so weibliche Vorbilder, Förderinnen und Prüferinnen. Diskriminierung in den Staatsexamina Eine Studie für das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen stellt fest, dass in den juristischen Staatsexamina Frauen und People of Color schlechter abschneiden als weiße Männer. Auffällig ist auch die Zusammensetzung der Prüfungskommissionen: Aktuell ist nicht einmal gewährleistet, dass in jeder Kommission mindestens eine Frau prüft. Für andere Diskriminierungsperspektiven werden aktuell keine Statistiken erhoben. Das durchschnittlich schlechtere Abschneiden im Examen hat weitreichende Folgen sowohl für den individuellen beruflichen Werdegang als auch für die gesamtgesellschaftliche Verteilung von Macht. Denn in kaum einem anderen Fach ist die Examensnote so entscheidend für die beruflichen Perspektiven. Da die Examensnoten auch Einfluss darauf haben, wer in der Zukunft prüfen darf, kann so keine Veränderung herbeigeführt werden.
Der djb stellt Studie zur Diskriminierung in mündlichen Prüfungen vor
Der Arbeitsstab hat die Justizprüfungsämter zur Ausgestaltung der mündlichen Prüfung befragt und zusätzlich die Ausbildungsgesetze untersucht. Aufgrund der 2022 veröffentlichten Ergebnisse der Studie fordert der djb in Bezug auf das Diskriminierungspotential der mündlichen Prüfungen:
- Prüfungskommissionen, in denen Frauen und marginalisierte Gruppen repräsentiert sind
- Verbindliche Bewertungskriterien für die Benotung
- Vorgespräch und Vornotenkenntnis abschaffen
- Einrichtung einer zusätzlichen Beschwerde- und Kontrollstelle für Betroffene von Diskriminierung neben Widerspruch und Klage
- Schulung der Prüfenden in Diskriminierungssensibilität
Keine Diversitykompetenzen in den Lehrplänen
Exklusionsmechanismen spiegeln sich auch in den Lehrplänen wider: Feministische Perspektiven fehlen ebenso wie die Vermittlung von Gender- und Diversitykompetenzen. Es gilt nicht als notwendig, sich als angehende*r Jurist*in kritisch mit Sexismus, Rassismus oder Homophobie auseinanderzusetzen und die eigene Verortung im System zu reflektieren. Im Gegenteil: Jurastudierenden wird ein (illusorisches) Selbstverständnis von Objektivität mittels juristischer Expertise mit auf den Weg gegeben. Jura berührt aber wie kaum ein anderes Fachgebiet grundlegende Gerechtigkeitsfragen. Der Arbeitsstab setzt sich deswegen für die geschlechtersensible Gestaltung der juristischen Lehre und des Lernmaterials sowie die Verankerung intersektionaler feministischer Perspektiven und Genderkompetenzen in der Ausbildung von Jurist*innen ein.
Nergis Zarifi
Kontakt: nergis.zarifi@djb.de
Pressemitteilungen und Stellungnahmen
- Das Jurastudium endet mit einer mündlichen Prüfung, die nicht gerecht ist. Grund dafür ist die Gefahr von (oft unbewusster) Diskriminierung. Bereits… mehr
- Zur Bundestagswahl 2021 fordert der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) alle Parteien auf, dem Verfassungsauftrag der faktischen Gleichberechtigung… mehr
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- Bundesregierung und Bundesrat haben Vorschläge zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) vorgelegt, die die juristische Ausbildung betreffen.… mehr
- Der Bundesrat hat am 12. Februar 2021 seine Stellungnahme zum Regierungsentwurf zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und Änderung weiterer… mehr
- Während in der Bundesrepublik vieles still steht, geht die juristische Ausbildung ihren Gang. Diese Woche hat an vielen Universitäten die – digitale –… mehr
- ---die ausführliche Stellungnahme als pdf zum download--- Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme… mehr
- Deutsche Männer haben bessere Chancen als Frauen und Personen mit Migrationshintergrund, die juristischen Staatsprüfungen mit Prädikatsexamen… mehr
- „Die juristische Ausbildung muss endlich verbessert werden. Der Beschluss der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) zur… mehr
- Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt das Vorhaben der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo), auf ihrer am 17.… mehr
- Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) berät auf ihrer Herbstkonferenz am 17. November 2016 in Berlin über… mehr
djb in der Presse
- Neben iur.reform und dem BRF gehören auch der Deutscher Anwaltverein e.V., der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., die Neue Richtervereinigung e.V. und der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) zu den Erstunterzeichnern. Zudem über 20 Professorinnen und Professoren sowie 20 Persönlichkeiten aus der Praxis. Link zur Webseite öffnen
- Organisationen für Perspektivenvielfalt: Wir möchten in diesem Zusammenhang auf weitere Organisationen aufmerksam machen, die sich bereits jetzt für eine größere Perspektivenvielfalt im Recht und der juristischen Ausbildung einsetzen. Link zur Webseite öffnen
- Interview mit Susanna Roßbach und Lilian Langer. Die beiden Juristinnen wollen mit dem Instagram-Account "Üble Nachlese" Diskriminierung aus Fallbeispielen verbannen Link zur Webseite öffnen
- In Texten im Jurastudium werden oft Fallbeispiele verwendet, die voll von sexistischen oder rassistischen Klischees sind. Solche Fälle können beim Instagram-Kanal "Üble Nachlese" gemeldet werden. Gespräch mit der Juristin Dana-Sophia Valentiner vom Instagram-Account darüber, was schief läuft an den Fakultäten. Link zur Webseite öffnen
- Frauen sind hysterisch, Männer Chef – und Arbeitslose heißen Kevin oder Jacqueline: Rechtswissenschaftliche Fallbeispiele strotzen vor Klischees und Stereotypen. Drei Juristinnen wollen das ändern. Link zur Webseite öffnen
JURios: Das Seminar „Liebschaften am Arbeitsplatz“ sorgte bei Studierenden der LMU München für Unmut
- Das Projekt „Üble Nachlese“ des Deutschen Juristinnenbundes macht explizit auf derartige Sachverhalte in der Lehre aufmerksam und versucht, ein Bewusstsein hierfür zu schaffen. Als Negativbeispiel hat der djb deswegen auch die Seminarankündigung „Liebschaften am Arbeitsplatz“ auf ihrem Instagram-Kanal vorgestellt. Link zur Webseite öffnen
- Der Personalrat der Hamburger Referendar*innen moniert, dass prekäre Verhältnisse nicht nur das Leben erschweren, sondern die Hansestadt auch als spätere Arbeitgeberin unattraktiv machen. Der Artikel zitiert die Stellungnahme des djb zur Änderung des Hamburgischen Juristenausbildungsgesetzes. Link zur Webseite öffnen
- Die Forderung nach flexiblen Arbeitszeitmodellen wird auch im juristischen Bereich lauter. Nach Änderung des DRiG müssen die Bundesländer ab dem 1. Januar 2023 ein Referendariat in Teilzeit ermöglichen. Die LTO zitiert die Kritik des djb am niedersächsischen Gesetzentwurf. Link zur Webseite öffnen
- Wer Jura studiert, kommt schnell mit rassistischen und sexistischen Übungsaufgaben in Berührung. An den Fakultäten scheint das nur wenige zu stören. U.a. erläutert Helene Evers, Vorsitzende des djb-Arbeitsstabs Ausbildung und Beruf in der taz, wo das Problem liegt und was die Forderungen des djb sind. Link zur Webseite öffnen
- Nachdem eine Studie im Jahr 2018 die Diskriminierungspotenziale von Frauen in mündlichen Staatsexamensprüfungen aufzeigte, bemühten sich die Bundesländer die Prüfungskommissionen mit mehr Frauen zu besetzen. Mit durchwachsenem Erfolg. Das zeigt auch eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung des Deutschen Juristinnenbundes (djb). Dieser startete zudem gemeinsam mit dem Berliner Senat im Jahr 2019 einen Aufruf, um mehr Frauen für diese Aufgabe zu gewinnen. Link zur Webseite öffnen
- Hast Du Dein Vorbild schon gefunden? Breaking Through porträtiert die beiden Juristinnen, djb-Mitglieder und Moderatorinnen des djb-Podcasts „Justitias Töchter“ Dana Valentiner und Selma Gather. Link zur Webseite öffnen
- Strukturelle Benachteiligung in der juristischen Ausbildung: Wie steht es um die Chancengleichheit in den Rechtswissenschaften? In diesem Interview gibt Selma Gather, Vorsitzende des djb-Arbeitsstabs Ausbildung und Beruf, Antworten. Link zur Webseite öffnen
- In der Jurist*innenausbildung wird viel Sexismus und Rassismus reproduziert. Ein neues Blog prangert dies an. Ein Bericht des Missy Magazins über das Blog „Juristenausbildung – üble Nachlese". Link zur Webseite öffnen