Stellungnahme: 14-17


zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zum Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt den Referentenentwurf als einen richtigen Schritt hin zum Ziel, die gesetzlich vorgeschriebene Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft umzusetzen. Damit wird endlich ein Vorhaben politisch umgesetzt, für das der djb seit langer Zeit eintritt und das angesichts der seit über zehn Jahren ohne Ergebnis bleibenden Selbstverpflichtung überfällig war.

I. Artikel 3–22: Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für Aufsichtsräte und die Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen

1. Ausgangssituation

Gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG hat der Staat die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken.

Gleichheit und Gleichstellung stellen zudem Grundwerte und Kernziele der Europäischen Union dar (Art. 2, 3 Abs. 3 EUV – Vertrag über die Europäische Union: „Die Union […] fördert […] die Gleichstellung von Frauen und Männern“). Art. 8 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) verpflichtet die Union, bei allen ihren Tätigkeiten darauf hinzuwirken, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Nach Art. 10 AEUV hat die Europäische Union den verbindlichen Auftrag, bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen Diskriminierungen des Geschlechts […] zu bekämpfen.

Nach Art. 19 AEUV „kann der Rat […] geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts […] zu bekämpfen“.

Nach Art. 21, 23 Abs. 1 ChGR (Grundrechtecharta der Europäischen Union), die über Art. 6 Abs. 2 EUV zur Auslegung des Gleichstellungsgebots heranzuziehen ist, sind nicht nur Diskriminierungen wegen des Geschlechts verboten, sondern ist die Gleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit […] sicherzustellen. Dabei steht der Grundsatz der Gleichheit der Beibehaltung und Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nach Art. 23 Abs. 2 ChGR nicht entgegen. „Positive Maßnahmen“ sind darüber hinaus auch nach Art. 157 Abs. 4 AEUV ausdrücklich zulässig, um Benachteiligungen des unterrepräsentierten Geschlechts in der beruflichen Laufbahn zu verhindern oder auszugleichen.

Die Bekämpfung der Ungleichbehandlung von Frauen gegenüber Männern unterfällt dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot, da die Aufsichtsrats- bzw. Vorstandstätigkeit eine berufliche Tätigkeit darstellt, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/54/EG fällt. Die Förderung von Teilhabe und Repräsentanz von Frauen u.a. an wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen fordert neben der Europäischen Kommission (vgl. etwa den Richtlinienvorschlag zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren / Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften, KOM(2012) 614 endg. sowie die Frauen-Charta, KOM (2010) 78 endg.) auch der Rat der Europäischen Union von den Mitgliedstaaten mit Nachdruck ein (vgl. etwa „Europäischer Pakt der Gleichstellung der Geschlechter 2011-2020“, Abl. EU C-155/12).

Gesetzliche Vorgaben einer Quotenregelung sind notwendig. Der nach wie vor geringe Frauenanteil in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft trotz des seit Jahren stark gestiegenen Anteils hochqualifizierter Frauen widerspricht der von Art. 3 Abs. 2 GG geforderten geschlechtergerechten Teilhabe. Wie die Ergebnisse der Aktion des djb „Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung“ ergeben haben, ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen seit Beginn der Aktion nur leicht gestiegen: Rund 80 Prozent aller Aufsichtsratspositionen der 30 DAX-Unternehmen waren 2012 mit Männern besetzt. Der jährliche Anstieg des Frauenanteils an Führungspositionen in Deutschland liegt bei den 30 DAX-Unternehmen bei unter einem Prozentpunkt; nur sieben Prozent aller Veränderungen in den 30 DAX-Vorständen in 2013 betrafen Frauen.[1]

2. Ziele des Gesetzentwurfs

Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, diese Diskrepanz aufzulösen und ist insoweit zu begrüßen.

Allerdings steht zu erwarten, dass die vorgesehenen Regelungen nicht zu einem schnellen Anstieg von Frauen in Führungspositionen führen, weil sie sowohl im Hinblick auf den Geltungsbereich der Regelung als auch bzgl. des Inhalts nur die Minimalforderungen verwirklichen und ansonsten weiterhin auf Freiwilligkeit setzen. Dies ist für den djb nicht nachvollziehbar, weil jahrelang auf die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft (2001 Selbstverpflichtung; 2011 „Flexiquote“) und die Regelungen im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK, insbesondere Kodexempfehlungen 4.1.5; 5.1.2 und 5.4.1) vertraut wurde und die Erfahrung mit diesen Instrumenten gezeigt hat, dass es nicht zu einer signifikanten Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen gekommen ist. So wurde auch das „Superwahljahr 2013“, in dem bei 20 der 30 DAX-Unternehmen Aufsichtsratswahlen auf Anteilseignerseite stattfanden, nicht konsequent genutzt, um mehr Frauen in Aufsichtsratspositionen zu bringen.[2]

Festzustellen ist, dass der Gesetzentwurf hinter den Regelungen anderer europäischer Länder wie Norwegen, Spanien, Italien, Frankreich, Belgien und die Niederlande zurückbleibt, die längst effizientere Quotenregelungen eingeführt haben, die zu einer gleichberechtigen Teilhabe von Männer und Frauen beitragen.

3. Die Regelungen im Einzelnen

a. Vorgabe einer Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für Aufsichtsräte

(Artikel 3 Nr. 4 b, S. 31 des Entwurfs)

(1) Geltungsbereich

Diese Regelung bezieht sich nur auf Aufsichtsräte. Der djb fordert dagegen die dreifache Quote für Aufsichtsrat, Vorstand und Führungspositionen, was im Hinblick auf eine geschlechtergerechte Teilhabe an den Machtpositionen im Unternehmen sachgerecht ist.

Weiter fordert der djb auch eine Quotierung der Ausschüsse des Aufsichtsrates (Personal- und Nominierungsausschüsse), deren Besetzung entscheidende Bedeutung für die Personalauswahl von Vorständen und Aufsichtsräten hat.[3]

Außerdem bezieht sich die Regelung nur auf börsennotierte Gesellschaften, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Damit ist der Kreis der Unternehmen, die von der Regelung betroffen sind, stark eingeschränkt worden. Betroffen sind nur die großen Publikumsgesellschaften in der Rechtsform der AG und der KGaA. Das sind nur etwa 100 Unternehmen in Deutschland.

Für Unternehmen in der Rechtsform der Europäischen Gesellschaft (Societas Europae, SE), die paritätisch mitbestimmt sind, gilt die gesetzliche Quote nicht zwingend. Der Entwurf sieht für die paritätisch mitbestimmte Europäische Gesellschaft lediglich eine Sollvorschrift vor. Angesichts der Tatsache, dass sich diese Gesellschaftsform in den letzten Jahren bereits aus anderen Gründen stark ausgebreitet hat, ist zu befürchten, dass es zu einer Umgehung der Quotenregelung durch Rechtsformwahlwechsel kommt.

Der djb fordert deshalb den Geltungsbereich der Regelung jedenfalls zu erweitern und die fixe Mindestquote festzuschreiben für:

  • alle börsennotierten Gesellschaften und
  • alle mitbestimmten Unternehmen und
  • alle mitbestimmten Europäischen Gesellschaften (SE)

(2) Höhe der Quote

Der djb fordert eine Quote von mindestens 40 Prozent für Aufsichtsrat, Vorstand und Führungspositionen und strebt darüber hinaus Parität an. Wie die Auswertung des Projektes „Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung“ ergeben hat, sind die Veränderungen bei Aufsichtsrat, Vorstand und Führungspositionen in Richtung einer höheren Beteiligung von Frauen sehr gering, teilweise sogar rückläufig.[4] Nur eine gesetzliche Regelung für beide Organe und Führungspositionen in Höhe von 40 Prozent kann zu einer signifikanten Erhöhung des Frauenanteils führen.

(3) Rechtsfolge

Die Rechtsfolge der quotenwidrigen Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds ist gem. Art. 3, 1 Nr. 4b die Nichtigkeit der Wahl. Diese Rechtsfolge des „leeren Stuhls“ soll verhaltenssteuernd wirken, weil Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite ein Interesse daran haben, ihre Plätze zu besetzen. Mag diese Regelung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats nachvollziehbar sein, so bestehen erhebliche Zweifel, ob sie die gesetzlich vorgeschriebene Quotierung effizient sicherstellen kann.

Der djb fordert deshalb als Rechtsfolge bei Verstoß gegen das Mindestanteilsgebot, dass die Beschlüsse des quotenwidrig besetzten Aufsichtsrats nichtig sind. Das hätte zur Folge, dass der Aufsichtsrat z.B. weder den Vorstand wirksam bestellen noch zustimmungsbedürftige Geschäfte i.S.v. § 111 IV AktG (Aktiengesetz) wirksam beschließen könnte.

Der djb fordert weiter auch eine Sanktion durch Änderung des § 10 KStG (Körperschaftssteuergesetz) dergestalt, als keine Abzugsfähigkeit für Aufwendungen der Mitglieder des Aufsichtsrates bei Gesellschaften besteht, die gegen die Quotenregelung des neuen § 96 AktG verstoßen.

b. Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen für Aufsichtsräte, Vorstände und oberste Management-Ebenen und Veröffentlichungspflicht der Zielgrößen

(Artikel 3 Nr. 1 des Entwurfs, S. 30 und Artikel 12, S. 39)

(1) Geltungsbereich:

Der Geltungsbereich dieser Regelung bezieht sich auf börsennotierte und mitbestimmte Unternehmen. Davon sind ca. 3500 Unternehmen betroffen, weil auch die GmbH, eG und VVaG erfasst werden und auch die mitbestimmte oder börsennotierte SE, was wünschenswert ist.

(2) Rechtsfolge:

Die Einführung einer transparenten Selbstverpflichtung wird kombiniert mit gesetzlichen Berichtspflichten. Dies ist sinnvoll im Hinblick darauf, dass Aufsichtsrat und Vorstand gezwungen werden, sich bzgl. des Themas Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen zu positionieren. In der Begründung wird aufgeführt, dass durch die Veröffentlichungspflicht der Druck für die Unternehmen aufgebaut wird, sich „ambitionierte“ Zielgrößen in Form von Endzielen, die einer paritätischen Besetzung nahekommen, zu setzen. Die Erfahrung mit der Setzung von „freiwilligen“ Zielgrößen hat gezeigt, dass eine paritätische Besetzung weder angestrebt und schon gar nicht erreicht wurde. Nur die Festlegung einer gesetzlichen Mindestzielgröße, wie sie der djb fordert (s.o.), führt zu einer schnellen Erhöhung der Anzahl weiblicher Führungskräfte.

Dabei ist zu begrüßen, dass die Zielgrößen durch die Veröffentlichung in der Erklärung zur Unternehmensführung transparent gemacht werden müssen, wie es die vorgeschlagene Änderung von § 289a HGB (Handelsgesetzbuch) vorsieht. Allerdings müsste die Veröffentlichungspflicht dahingehend ergänzt werden, dass nicht nur die festgelegten Zielgrößen veröffentlicht werden, sondern auch zwingend der Anteil von weiblichen und männlichen Beschäftigten in der Belegschaft und auf den verschiedenen Führungsebenen. Nur so lässt sich nachvollziehen, inwieweit Frauen der Aufstieg in Führungspositionen tatsächlich ermöglicht wird und inwieweit es dabei Fortschritte im Unternehmen gibt. Die Auswertung der Aktion des djb „Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung“ hat ergeben, dass über drei Viertel der DAX-Unternehmen gar keine frauenspezifischen Daten veröffentlichen.[5]

Der djb fordert deshalb die vorgeschlagene Änderung von § 289 a Absatz 2 HGB um eine

  • Pflicht zur Veröffentlichung des Anteils von Frauen in der Belegschaft und des Anteils von Frauen in den Organen der Gesellschaft und in den Führungsebenen unterhalb des Vorstands zu ergänzen.

Diese Berichtspflicht müsste in § 289 HGB verankert werden, so dass sie Bestandteil des Lageberichts wird, weil der Lagebericht von allen Kapitalgesellschaften, ausgenommen kleinen Kapitalgesellschaften, abzugeben ist.

Zusätzlich fordert der djb die Aufnahme einer Regelung in der Vorschrift des § 161 AktG zur Richtigkeit der Entsprechenserklärung und zu den Rechtsfolgen bei einer unrichtigen Entsprechenserklärung. Denn der DCGK regelt die Vorgabe der Beachtung der Grundsätze von Diversity, worunter auch die Besetzung der Positionen mit Frauen verstanden wird. Im Rahmen des Projektes „Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung“ hat der djb festgestellt, dass die Entsprechenserklärungen teilweise nicht den Tatsachen entsprechen. Die Rechtsfolge bei Fehlerhaftigkeit der Entsprechenserklärung ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten und sollte gesetzlich geregelt werden. Denn die Fehlerhaftigkeit hat bisher keine Rechtsfolge und bleibt damit ohne Sanktionen.

4. Fazit

Der djb ist davon überzeugt, dass nur verbindliche gesetzliche und umfassende Quotenregelungen sowie entsprechende Sanktionen bei Nichteinhaltung zur Erhöhung des Frauenanteils in Entscheidungsgremien führen können. Solange traditionelle Geschlechterstereotypen über die Aufstiegsmöglichkeiten entscheiden, bleibt Frauen der Zugang zu Führungspositionen verwehrt. Die Quote ist das richtige Mittel, um einen verfassungswidrigen und europarechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Der vorliegende Gesetzentwurf bleibt hinter den Forderungen des djb zurück. Aber erstmals wird damit eine Quote für die Privatwirtschaft gesetzlich festgeschrieben, was uneingeschränkt zu begrüßen ist.

II. Artikel 2: Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes

1. Allgemeine Fragen, insbesondere Ziel der Novelle

Der djb hat den Entwurf zur Novellierung des Bundesgleichstellungsgesetzes des Jahres 2001 (BGBl. I 2001, 3234) mit Interesse zur Kenntnis genommen. Leider lässt die Novellierung nicht erwarten, dass sie die Situation von Frauen im öffentlichen Dienst verbessern wird. Da die Verschlechterungen die wenigen Verbesserungen sogar deutlich überwiegen, sollte das BGleiG-Neu aus dem Entwurf ganz entfernt werden. Insbesondere werden die geänderten Beteiligungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten in der Praxis zu einer weitgehenden faktischen Bedeutungslosigkeit der Mitwirkungsrechte führen.

Wer in Zeiten gewollten Bürokratieabbaus ein vorhandenes Gesetz ändert, benötigt Gründe. Dazu entnehmen wir dem Referentenentwurf vom 9. September 2014 (unter A Problem und Ziel), dass die mit dem BGleiG von 2001 verfolgten Ziele nicht eingetreten sind. Welche Ziele waren dies? Warum wurden sie nicht erreicht? Und wo werden die neuen Ziele formuliert? Woher kommt die für ein Gesetzesvorhaben notwendige Sicherheit, dass die Novellierung geeignet sein wird, die Ziele besser zu erreichen? Diese Fragen werden, wenn überhaupt, nur andeutungsweise beantwortet.

a. Erkennbar fehlt es an einer aktuellen Befundaufnahme für den öffentlichen Dienst und an einer validen Analyse der bisherigen positiven oder negativen Wirkungen des BGleiG 2001. Der Zweite Erfahrungsbericht zum Bundesgleichstellungsgesetz stammt aus dem Jahr 2010. Da nach § 25 BGleiG alle vier Jahre ein Erfahrungsbericht über die Erfahrungen mit dem Gesetz, also die Erfolge oder Misserfolge und ihre Ursachen, erforderlich ist, fragt man sich, warum nicht zunächst der für das Jahr 2014 fällige Dritte Erfahrungsbericht erstellt wird, um dann lege artis auf einer validen Fakten- und Beurteilungsbasis eine Novelle zu planen?

Kein Grund, den Erfahrungsbericht nicht abzuwarten, wären längst überfällige Regelungen für die Privatwirtschaft. Öffentlicher Dienst und Privatwirtschaft unterscheiden sich nicht nur erheblich, sondern durch das geltende BGleiG besteht kein akuter Handlungsbedarf für den öffentlichen Dienst, jedenfalls dann nicht, wenn über den derzeitigen Entwurf hinausgehende Regelungen nicht geplant sind – ganz anders als für die Privatwirtschaft. Gründe für die Notwendigkeit eines zwingend gemeinsamen Gesetzesvorhabens für Privatwirtschaft und öffentlichen Dienst lassen sich auch der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Es entspräche gesetzgeberischer Sorgfalt und gebotener Vorsicht, zumindest den Dritten Erfahrungsbericht zum BGleiG abzuwarten.

b. Als Ziel der Novellierung betreffend den öffentlichen Dienst wird genannt:

Die mittelfristige Erreichung einer signifikanten Verbesserung des Frauenanteils an Führungspositionen der Bundesverwaltung (Begründung A 2).

Das damit gleichzeitig verfolgte weitere Ziel, die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen, hat für den öffentlichen Dienst erkennbar keine Relevanz. Denn gleiche Arbeit wird im öffentlichen Dienst für Frauen und Männer auch gleich bezahlt – was eine faktische Schlechtervergütung in frauenspezifischen Ausbildungsgängen (im Vergleich zu männerspezifischen Ausbildungsgängen) oder Entgeltgruppen natürlich nicht ausschließt. Mehr Frauen in Führungspositionen bedeutet angesichts der im Verhältnis zur Privatwirtschaft eher bescheidenen Dotierung von Führungspositionen im öffentlichen Dienst hier allenfalls eine nicht nennenswerte Verbesserung des Gesamteinkommens der Frauen.

Somit bleibt festzuhalten: Als einziges Ziel benennt die Novelle ausdrücklich die signifikante Verbesserung des Frauenanteils an Führungspositionen der Bundesverwaltung. Die Erfüllung des Ziels soll mittelfristig erreicht werden, obwohl es bereits seit dem Frauenfördergesetz des Bundes aus dem Jahr 1994 verfolgt wird.

Dieses Ziel soll durch Neuregelungen in fünf Bereichen erreicht werden:

  • Geschlechteransprache
  • Geltungsbereich
  • Gleichstellungsplan
  • Gleichstellungsbeauftragte
  • Statistikpflichten und Bericht an den Deutschen Bundestag

Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die „Geschlechteransprache“ und auf wenige Einzelfragen zum Thema Gleichstellungsbeauftragte. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

2. „Geschlechteransprache“

a. Befund

Unter dem Begriff „Geschlechteransprache“ kündigt sich, wenn auch eher versteckt, ein Paradigmenwechsel des Gesetzes an. Je nach Stand der Gleichstellung soll stets „das Geschlecht angesprochen und gefördert“ werden, „das in den einzelnen Bereichen benachteiligt beziehungsweise unterrepräsentiert ist“. Dass es der Sache nach um einen Paradigmenwechsel geht, ergibt sich insbesondere aus den in § 1 reformulierten Gesetzeszielen und deren Begründung.

So heißt es in § 1

(1) Ziel des Gesetzes ist es,

1. die Gleichstellung von Frauen und Männern zu verwirklichen,

2. bestehende Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts insbesondere Benachteiligungen von Frauen zu beseitigen und künftige Benachteiligungen zu verhindern, sowie

3. die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit für Frauen und Männer zu verbessern.

(2) Nach Maßgabe dieses Gesetzes wird die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern gefördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hingewirkt.

Die Begründung dazu (Artikel 2, Abschnitt 1, zu § 1, S. 66 des Entwurfs) markiert die intendierten Unterschiede zur früheren Rechtslage:

„Im Unterschied zur früheren Rechtslage richten sich die Gesetzesziele nicht mehr überwiegend an Frauen, sondern an Frauen und Männer gleichermaßen. Das frühere Bundesgleichstellungsgesetz schrieb zwar nicht in allen Bereichen das Frauenfördergesetz von 1994 fort, war insgesamt jedoch noch immer stark frauenspezifisch ausgerichtet. Das neue Bundesgleichstellungsgesetz betrifft nunmehr in Anlehnung an die Vorschriften im Gesellschaftsrecht beide Geschlechter. Insbesondere die Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit, sollen sich auch (und vermehrt) an Männer richten“.

„Absatz 1 ist inhaltlich und redaktionell überarbeitet. […] Nummer 1 bestimmt in Anlehnung an den früheren § 1 Absatz 1 Satz 1 BGleiG als Gesetzesziel, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu verwirklichen. Nummer 2 benennt als weiteres Gesetzesziel, bestehende Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts, insbesondere Benachteiligungen von Frauen, zu beseitigen sowie künftige Benachteiligungen zu verhindern. Der Einschub „insbesondere Benachteiligungen von Frauen“ soll verdeutlichen, dass im Fokus immer noch überwiegend die Verhinderung und Bekämpfung struktureller Benachteiligungen von Frauen steht.“

„Absatz 2 entspricht im Wesentlichen dem früheren § 1 Absatz 1 Satz 2 BGleiG. […] Im Unterschied zur früheren Rechtslage kommt der hier verankerte Förderauftrag nicht mehr nur Frauen zugute, sondern beiden Geschlechtern. Absatz 2 entspricht in seinem Wortlaut Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 GG. Dabei ist nicht die Gesamtsituation von Frauen und Männern in der Dienststelle beziehungsweise dem Unternehmen ausschlaggebend dafür, welches Geschlecht gefördert wird, sondern die Situation in den einzelnen Bereichen nach § 3 Absatz 2. Indikator für eine Benachteiligung ist häufig die Unterrepräsentanz eines Geschlechts in einem bestimmten Bereich. Die geschlechtergerechte Formulierung von Absatz 2 trägt der Tatsache Rechnung, dass die positive Entwicklung der Gleichberechtigung zugunsten von Frauen dazu führt, dass in bestimmten Bereichen Männer heute unterrepräsentiert sind. Der verfassungsrechtliche Schutz- und Förderauftrag aus Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 GG sowie die Zielsetzung aus § 1 Absatz 1 BGleiG gebieten es, auch Männer in Bereichen zu fördern, in denen sie unterrepräsentiert sind, unabhängig davon, ob dies durch eine strukturelle Benachteiligung verursacht wurde oder nicht.“ <alle Hervorhebungen durch Verf.>

Diese Pflicht zur Männerförderung wird aufgegriffen in § 3 Abs. 8, wo es heißt:

(8) Unterrepräsentiert: Status von Frauen oder Männern, wenn ihr jeweiliger Anteil an den Beschäftigten in den einzelnen Bereichen nach Absatz 2 unter 50 Prozent liegt, wobei geringfügige Abweichungen in Höhe von bis zu 5 Prozentpunkten unschädlich sind. In Teilzeit besetzte Arbeitsplätze sind in Vollzeitstellen umzurechnen. Maßgeblich für die Bestimmung einer Unterrepräsentanz ist die aktuelle Situation in demjenigen Bereich, auf den sich die angestrebte Maßnahme oder Entscheidung hauptsächlich bezieht.

Ferner in § 6 Abs. 2:

(2) Wenn in einem Bereich Frauen oder Männer unterrepräsentiert sind, soll ein freier Arbeitsplatz ausgeschrieben werden, um die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber zu erhöhen. Der Arbeitsplatz soll öffentlich ausgeschrieben werden, wenn dieses Ziel weder mit einer hausinternen noch mit einer dienststellenübergreifenden Ausschreibung erreicht werden kann. Ausnahmen nach § 4 Absatz 2 der Bundeslaufbahnverordnung bleiben unberührt.

§ 7 Abs. 1 :

(1) Liegen in ausreichender Zahl geeignete Bewerbungen von Frauen vor, müssen bei der Besetzung von Arbeitsplätzen in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, mindestens ebenso viele Frauen wie Männer zu Vorstellungsgesprächen oder besonderen Auswahlverfahren eingeladen werden. Für die Besetzung von Arbeitsplätzen in Bereichen, in denen Männer unterrepräsentiert sind, gilt Satz 1 entsprechend.

§ 8 Abs. 1:

(1) Sind Frauen in einzelnen Bereichen unterrepräsentiert, hat die Dienststelle sie bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen, beruflichem Aufstieg und Einstellung sowie bei der Abordnung, Versetzung und Umsetzung für mehr als drei Monate bevorzugt zu berücksichtigen, sofern

1. sie die gleiche Qualifikation (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) aufweisen wie ihre männlichen Mitbewerber, und

2. nicht in der Person eines männlichen Mitbewerbers liegende, rechtlich schützenswerte Gründe überwiegen.

Sind Männer in einzelnen Bereichen unterrepräsentiert, gilt Satz 1 entsprechend.

§ 10 Abs. 1:

(1) Die Dienststelle hat die Teilnahme der Beschäftigten an Fortbildungen zu unterstützen. Bei der Einführungs-, Förderungs- und Anpassungsfortbildung sind Frauen und Männer entsprechend ihrem Anteil an der jeweiligen Zielgruppe der Fortbildung zu berücksichtigen.

§ 13 Abs. 2:

(2) Der Gleichstellungsplan legt fest,

1. wie bis zum Ende seiner Geltungsdauer die Unterrepräsentanz von Frauen oder Männern in den einzelnen Bereichen nach § 3 Absatz 2 abgebaut wird,

2. […]

[…]

Dazu sind konkrete Zielvorgaben für die einzelnen Bereiche zu benennen, insbesondere zum Frauen- und Männeranteil für jede einzelne Vorgesetzten- und Leitungsebene, soweit es sich hierbei um Arbeitsplätze nach § 3 Absatz 1 handelt. […]

[…]

b. Stellungnahme

Die Förderung des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts, unabhängig ob Frau oder Mann (“Geschlechteransprache“) im Entwurf zur Novellierung des BGleiG (Entwurf) dürfte kaum mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und 3 Abs. 2 GG vereinbar sein.

Die geplante Männerförderung unterläuft das vorgebliche Gesetzesziel, den Frauenanteil in Führungspositionen signifikant zu erhöhen.

Der Entwurf macht die ausschließliche Wahrnehmung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin durch Frauen und deren Wahl allein durch die weiblichen Beschäftigten rechtlich angreifbar.

Die materielle Abgrenzung der Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten von denen des Personalrates ist nicht mehr möglich und wird durch eine bloß noch formelle Zuordnung ersetzt.

Eine „Schärfung“ des Gesetzes, die das Ziel erreichen könnte, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, fehlt.

(1) Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und 3 Abs. 2 GG

Gesetzliche „Männerförderung“ wurde – soweit ersichtlich – bislang weder in Rechtsprechung noch Literatur explizit als Rechtsproblem thematisiert. Dass es sie faktisch seit 1949 (und erst recht davor) gerade auch im öffentlichen Dienst gibt, steht dem nicht entgegen. Soweit das BGleiG sich schon bisher auch an Männer richtete, wie hinsichtlich der „Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit für Frauen und Männer“ (§§ 12 ff. BGleiG 2001), war das dahinterstehende gesetzgeberische Ziel, die Situation der Frauen und ihrer Familien zu verbessern: Es kann als empirisch belegt angesehen werden, dass die Doppelbelastung durch Familie und Beruf immer noch zum überwiegenden Teil Frauen trifft. Diese faktische Benachteiligung gegenüber Männern schließt ein, dass Personalverantwortliche auch bei familiär (noch) ungebundenen Frauen – anders als bei vergleichbaren Männern – deren künftige Familiensituation im Sinne von Wünschen nach Beurlaubungen oder Teilzeitarbeit u.ä. antizipieren. Soweit daraus nicht auf insgesamt weniger beruflichen Einsatz geschlossen wird, wird doch nicht selten schon bei der Einstellung an die – langfristig – dadurch erhöhte Belastung der Personalverwaltung gedacht. Soweit auch Männer Familienaufgaben wahrnehmen und sich damit in eine frauentypische Situation begeben, lockert dies nicht nur zunehmend die Vorurteilsstruktur von Personalverantwortlichen auf. Es verbessert auch im Ergebnis die Lage von Frauen und deren Chancengleichheit im Wettbewerb um eine Führungsposition. Die Förderung von Teilzeitbeschäftigung, familiengerechter Arbeitszeit u.ä. auch für Männer diente und dient im Ergebnis deshalb dazu, die faktische Familiensituation von Frauen und Männern einander anzugleichen – mit dem erklärten Ziel, die faktische Chancengleichheit von Frauen im Beruf zu verbessern und die von Männern nicht zu verschlechtern, sofern sie Familienarbeit leisten. Denn dies war eines der gesellschaftspolitischen Probleme, dass das BGleiG 2001 und vor ihm schon dass Frauenfördergesetz des Bundes 1994 lösen wollte.

Verfassungsrechtlich stellte sich dabei – sehr grob skizziert – die Lage im Wesentlichen wie folgt dar:

Die nach Geschlechtern differenzierenden Regelungen des BGleiG 2001 griffen in den speziellen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ein. Dies ist immer wieder an Hand der Vorzugsregel des § 8 BGleiG 2001 im Falle eines Leistungspatts („leistungsabhängige Quote“) diskutiert worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbietet Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich eine Ungleichbehandlung im Einzelfall, die an das Geschlecht anknüpft. Die bisherige „leistungsabhängige Quote“, die im Falle eines Leistungspatts eine Ermessensentscheidung zulasten der weiblichen Bewerberin ausschließt, die über die Beachtung der Härteklausel hinausgeht, ist mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur insoweit vereinbar, als sie sich im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren lässt (BVerfGE 92, 91, 109 – Feuerwehrabgabe für Männer – eine Entscheidung zu „Quoten“ wurde vom BVerfG noch nicht getroffen). Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen, weil dieses Gebot den Gesetzgeber berechtigt, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen. Insoweit bedarf es allerdings noch einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Im Falle des bisherigen § 8 konnte die Maßnahme für geeignet und erforderlich gehalten werden, den Zweck der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern, da der Frauenanteil in Führungspositionen des gesamten öffentlichen Dienstes bislang immer noch unverständlich gering ist – in Anbetracht einer schon lange hervorragend ausgebildeten Frauengeneration. Es steht allerdings inzwischen fest, dass die Regelung den gewünschten Erfolg noch nicht gehabt hat, da seit 2002 der Frauenanteil in Führungspositionen zwar gestiegen ist, aber diese Steigerung – soweit ersichtlich – noch längst nicht den Frauenanteil im öffentlichen Dienst in den unterschiedlichen Bereichen widerspiegelt. Es würde sich also vor allem die Frage stellen, ob und wie § 8 BGleiG zugunsten von Frauen fortentwickelt und geschärft werden könnte oder ob gar ein ganz anderes Konzept erforderlich wäre.

Die nunmehr gewollte Männerförderung in § 8 n.F. des Entwurfs im Falle einer dienststellen- und bereichsbezogenen Unterrepräsentanz lässt sich nicht in gleicher Weise verfassungsrechtlich rechtfertigen wie die bisher intendierte Frauenförderung.

Nahe liegt die historische Auslegung, dass der Art. 3 Abs. 2 (nunmehr Satz 1) GG des Jahres 1949 ebenso wie der Art. 3 Abs. 2 Satz 2 des Jahres 1994 ausschließlich Frauen hat begünstigen sollen, um dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu geben, faktische Benachteiligungen durch rechtliche Regelungen zu kompensieren. Sie könnte sich in beiden Fällen mit sehr guten Gründen auf vorhandene Gesetzesmaterialien stützen. Hinsichtlich des von Elisabeth Selbert initiierten Satzes 1 ist der spezifische Frauenbezug historisch offenkundig, Hinsichtlich Satz 2 ließ die Gemeinsame Verfassungskommission (BT-Drs. 12/6000 S. 49) deutlich erkennen, dass Ausgangspunkt ihrer Überlegungen vor allem die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1992 (BVerfGE 85, 191, 207) war: „Faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, dürfen wegen des Gleichberechtigungsgebots des Artikel 3 Abs. 2 GG durch begünstigende Regelungen ausgeglichen werden." Die Kommission ergänzte diese Aussage durch eigene Feststellungen zu dem offensichtlichen gesellschaftlichen Problem, dass Benachteiligungen von Frauen allgegenwärtig sind.

Aber selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen oder sie nicht genügen lassen wollte, müsste eine gesetzliche Männerförderung, so wie sie im Entwurf vorgesehen ist, doch spätestens an der Verhältnismäßigkeitsprüfung scheitern. Es ist schon nicht erkennbar, welchem legitimen Zweck eine gesetzlich angeordnete Förderung von Männern dienen könnte, die in einzelnen Bereichen einer Dienststelle unterrepräsentiert sind. Während die Unterrepräsentanz im öffentlichen Dienst in Beförderungsstellen Teil eines gesamtgesellschaftliches Problems ist („Je höher die Hierarchiestufe, desto weniger Frauen“), hat die Unterrepräsentanz von Männern in einzelnen Bereichen offensichtlich ganz andere Gründe. Verfassungsrechtlich ohne Zweifel nicht haltbar ist die Aussage in der Begründung des Entwurfs zu § 1 (Ziele des Gesetzes): „Der verfassungsrechtliche Schutz- und Förderauftrag aus Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 GG sowie die Zielsetzung aus § 1 Absatz 1 BGleiG gebieten es, auch Männer in Bereichen zu fördern, in denen sie unterrepräsentiert sind, unabhängig davon, ob dies durch eine strukturelle Benachteiligung verursacht wurde oder nicht.“

Würden die Verwaltungsstrukturen nach Gründen für die Unterrepräsentanz von Männern in einzelnen Bereichen empirisch untersucht, so käme wohl heraus: Angesichts der relativ schlechten Vergütung im öffentlichen Dienst – im Verhältnis zur Privatwirtschaft – ist dieser für männliche Spitzenkräfte deutlich weniger attraktiv als für Frauen. Weibliche Spitzenkräfte sind typischerweise weniger an der absoluten Einkommenshöhe, als an den generell besseren Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im öffentlichen Dienst interessiert. Männliche Top-Juristen beispielsweise gehen nach den Examina signifikant häufiger in eine der großen Rechtsanwaltsfirmen oder in die Privatwirtschaft als in den öffentlichen Dienst, da sie dort typischerweise ein Mehrfaches an Einstiegsgehalt – bei erheblich größeren Steigerungsmöglichkeiten im Laufe der Jahre – erwartet. Ähnliches zeigt sich im Bereich des gehobenen Dienstes. Für die Bereiche einfacher und mittlerer Dienst (stets einschließlich Angestellten) kann dies tendenziell anders sein. Hier interessieren sich aber typischerweise auch mehr leistungsstarke, nicht ganz selten auch überqualifizierte Frauen für die in der Verwaltung gefragten Ausbildungsgänge und Berufe. Bei Männern sind es nicht ganz selten die in der Privatwirtschaft Gescheiterten, die in den öffentlichen Dienst streben (was über deren Eignung noch wenig aussagt, aber auch kein Eignungsbeweis ist). Haben Männer aber bereits nach Leistungskriterien bei der Neueinstellung das Nachsehen, kann nicht von einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts gesprochen werden. Allein die Unterrepräsentanz von Männern im Bereich des mittleren Dienstes, inzwischen manchmal auch schon im Bereich des gehobenen Dienstes, ist jedenfalls kein Ausdruck struktureller Benachteiligung von Männern in diesen Bereichen. Soweit das BGleiG an eine zahlenmäßige Unterrepräsentanz von Frauen angeknüpft hat und anknüpfen darf, folgt es hierin dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), der diesen „statistical approach“ als einfachen indiziellen Nachweis von Frauenbenachteiligung gebilligt hat, weil die Diskriminierungsgeschichte von Frauen offen zu Tage lag und die Statistiken kaum anders zu interpretieren waren. Männerförderung ließe sich europarechtlich kaum vergleichbar begründen – ohne dass hier auf die europarechtlichen Zweifelsfragen weiter eingegangen werden kann.

Welchen verfassungslegitimen Zweck könnten also hier Fördermaßnahmen zugunsten von Männern erfüllen, nachdem alle Zahlen und alle Erfahrungen belegen, dass es keine Benachteiligung von Männern im Öffentlichen Dienst gibt? Und auch das zuständige Ministerium dies nicht behauptet? Eine zufällige Unterrepräsentanz, der kein Phänomen gesellschaftlicher oder verwaltungsspezifischer Benachteiligung zugrunde liegt, ist jedenfalls kein verfassungslegitimer Grund für Fördermaßnahmen. Solche Maßnahmen wären auch nicht geeignet, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern. Im Gegenteil: Der Ausgleich von Männerunterrepräsentanzen in einzelnen Dienststellen (im Falle eines Leistungspatts) würde für den gesamten öffentlichen Dienst bedeuten, dass wiederum eine geringere Anzahl leistungsstarker Frauen in Beförderungsämter kämen. Die strukturelle Benachteiligung von Frauen würde damit wiederum verstärkt. Soweit es schon heute eine (Mit-)Förderung von Männern im Bereich von Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt, ist diese sozialpolitisch wegen konkreter Belastungen im Einzelfall und weil dies letztlich auch Frauen zugute kommt gerechtfertigt. Um die Bewältigung eines Massenphänomens oder den Ausdruck einer strukturellen Benachteiligung geht es dabei aber erkennbar nicht. Mangels struktureller Benachteiligung wären entsprechende Maßnahmen zugunsten von Männern auch nicht erforderlich. Selbst wenn man hier von einem weiten Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers ausgeht: Der Gesetzgeber darf den Nachweis der Erforderlichkeit nicht schuldig bleiben. Während man bei Frauen den Nachweis erbringen kann, dass unverbindliche Fördermaßnahmen in der Breite noch zu wenig bewirkt haben (im Einzelfall ja durchaus), wird ein solcher für Männer gar nicht erst versucht. Er dürfte auch kaum möglich sein.

Politisch begibt sich der Entwurf damit zudem auf ein gefährliches Terrain. Wenn fast keine wichtige Personalentscheidung mehr erfolgen kann, ohne dass auf die Unterrepräsentanz des jeweils einen Geschlechts abgestellt wird, fördert dies die Vorurteile, dass sich der öffentliche Dienst zu wenig auf die Durchführung der ihm auferlegten Staatsaufgaben als auf die Beschäftigung mit sich selbst konzentriert. (Und zumindest die Kabarettisten werden sich bald mit der Frage zu beschäftigen wissen, warum denn das Gesetz nicht auch die noch fördert, die sich geschlechtlich nicht eindeutig zuordnen lassen.)

(2) Abgrenzung zu den Personalratsaufgaben

Der Entwurf handelt sich zudem systematische Probleme ein, die keineswegs nur formaler Natur sind.

a. Für die „geschlechtsneutralen Aufgaben“ der Gleichstellung von Männern und Frauen ist – neben dem Arbeitgeber – ausweislich des Bundespersonal­vertretungsgesetzes der Personalrat zuständig. Dieser ist dementsprechend von Männern und Frauen zu wählen und setzt sich typischerweise aus Männern und Frauen zusammen. Der Entwurf setzt sich nicht damit auseinander, wie künftig die Aufgaben von Gleichstellungsbeauftragter (GB) und Personalrat noch voneinander abgegrenzt werden könnten.

Wer die Abgrenzung der Funktionen von Personalrat und GB schon darin sieht, dass der Personalrat klassische Interessenvertretung ist, während die GB eine objektive (Kontroll-)Aufgabe erfüllt, hat nur im Grundsätzlichen recht. Denn das BGleiG sieht ausdrücklich vor, dass Gleichstellungsbeauftragte – wie auch die Personalräte – Beschäftigte auch im Einzelfall beraten oder unterstützen dürfen –, anders ließe sich deren Bestellung nach Wahl auch kaum rechtfertigen. Mit der vorgeschlagenen alternierenden Förderung des gerade unterrepräsentierten Geschlechts kommt es zu einem weiten Überschneidungsbereich der Tätigkeit von GB und Personalrat. Dieses schwächt sowohl die Position des Personalrats als auch die der GB.

b. Bleibt die GB in ihrer Zuständigkeit nicht wie bisher auf die Situation der Frauen in der Dienststelle zentriert, ist es rechtlich mehr als zweifelhaft, wenn nur Frauen als GB bestellt werden und nur Frauen die GB wählen dürfen. Legitim (auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) war beides nur deswegen, weil davon auszugehen war, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen Frauen leichter aufzubauen ist, wenn sich diese in persönlichen Konflikt­situationen an die GB wenden, mag es dabei um Vereinbarkeit von Beruf und Familie, berufliches Fortkommen oder sexuelle Belästigung gehen. Soweit schon bislang eine Beratung von männlichen Beschäftigten z.B. im Problembereich von „Beruf und Familie“ stattfand, wurde dies von diesen gerade deshalb akzeptiert, weil sie einer weiblichen GB regelmäßig mehr Sensibilität und Fachwissen für dieses Thema zutrauten. Der Entwurf wird also mit Sicherheit die Klagen von Männern, die GB werden oder sich an der GB-Wahl beteiligen möchten, vermehren – mit deutlich besseren Erfolgsaussichten als bislang!

c. Das neue Modell wirft zudem Akzeptanzfragen auf, sowohl bei den Personalräten als auch bei den Beschäftigten.

Angesichts der überaus angespannten Personalsituation in allen Behörden und Gerichten ist bei den Beschäftigten kein Verständnis dafür zu erwarten, wenn im Ergebnis ein und dieselbe Aufgabe mehrfach und teilweise in Konkurrenz zueinander wahrgenommen wird, während für das außerpersonelle – aus Sicht der Öffentlichkeit und von Rechts wegen „eigentliche“ – Kerngeschäft vielfach kein Personal da ist.

Welche eigenständige Funktion kann eine GB mit einem praktisch das gesamte Personal abdeckenden Aufgabenbe­reich noch neben der Dienststellenleitung und dem Personalreferat und Personalrat haben? Der formale Unterschied besteht zwar weiterhin darin, dass die GB als Teil der Verwaltung und Beauftragte der Behördenspitze agiert und bereits im Vorfeld von Entscheidungen zu beteiligen ist. Soweit der Personalrat im Zuge vertrauensvoller Zusammenarbeit aber auch schon im Vorfeld von Entscheidungen beteiligt wird, wie dies in vielen Behörden geschieht, ist der Unterschied gering. Jedenfalls ist der Personalrat mit seinen Ressourcen der GB, schon weil er ein Kollegialorgan ist, regelmäßig überlegen.

Eine systematisch einleuchtende Abgrenzung der Funktionen von GB und Personalrat bleibt wichtig: Einer der Gründe für den flächendeckenden Einsatz von GB in der öffentlichen Verwaltung, der im Schleswig-Holstein des Jahres 1988 erfunden wurde, war, dass sich empirisch belegen ließ, dass Personalräte die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der öffentlichen Verwaltung leugneten oder sie ihnen gleichgültig war. Von den GB versprach man sich – und dies bestätigte sich in der Folge – durch die gesetzlich angeordnete Fokussierung auf die Belange der Frauen, dass bei ihnen – ungeachtet häufig fehlender Vorbildung – notwendige Sensibilitäten und Kräfte freigesetzt werden, selbst wenn ihnen die strukturellen Probleme von Frauen bislang nicht bewusst waren.

In einem Modell, in dem es um die Förderung von Frauen oder Männern geht, je nachdem welches Geschlecht in einem Bereich gerade zufällig unterrepräsentiert ist, haben eigenständige GB von der Systematik her eigentlich gar keinen Platz mehr. Soll der Entwurf also die Abschaffung der GB vorbereiten? Und wagt diesen Schritt derzeit nur noch nicht?

(3) „Schärfung“ des BGleiG?

Der Entwurf nennt als mittelfristiges Ziel die signifikante Verbesserung des Frauenanteils an Führungspositionen der Bundesverwaltung, ohne dafür geeignete Maßnahmen vorzuschlagen. Auch wenn der Dritte Erfahrungsbericht zum BGleiG noch nicht vorliegt, dürfte sich seit 2010 der Grundbefund nur wenig geändert haben: Je höher die Hierarchiestufe, desto weniger Frauen.

Es hätte deshalb nahe gelegen, dass der Entwurf fragt, warum das bisherige Modell der leistungsabhängigen Quote in Pattsituationen nicht hinreichend gegriffen hat, um insoweit Verbesserungen vorzuschlagen. Die Frage wird nicht gestellt.

Papier/Heidebach haben in ihrem Gutachten zur Zulässigkeit von Zielquoten für Frauen in Führungspositionen[6] als einen der Gründe für das Leerlaufen solcher „Quoten“ die bisherige Handhabung der Leistungskriterien durch eine immer differenziertere „Ausschärfung“ der Leistungs- und Befähigungsmerkmale markiert, die die Feststellung eines Qualifikationsgleichstandes, also eines Leistungspatts extrem unwahrscheinlich werden lässt. Wer sich an diese durch die Rechtsprechung sanktionierte Vorgehensweise hielt, konnte die Quotenregelung praktisch nie anwenden, weil es stets zu einer Reihung der weiblichen und männlichen Bewerber auf der Grundlage der Leistungsbeurteilungen und weiterer Binnendifferenzierungen kam. Papier/Heidebach schlagen eine gesetzliche Schranke solcher Ausdifferenzierungen vor, etwa wie folgt: Frauen sind bevorzugt zu befördern, soweit ein Mitbewerber nicht eine offensichtlich bessere Eignung, Befähigung und fachliche Leistung vorzuweisen hat.

Es wäre dringend zu empfehlen, diesen Vorschlag aufzugreifen.

3. Einzelfragen

a. Zu § 3 Abs. 8: „Unterrepräsentiert: Status von Frauen oder Männern, wenn ihr jeweiliger Anteil an den Beschäftigten in den einzelnen Bereichen nach Abs. 2 unter 50 Prozent liegt, wobei geringfügige Abweichungen in Höhe von bis zu 5 Prozentpunkten unschädlich sind.“

Die in den Verwaltungen gemachten Erfahrungen sprechen dagegen, dass es mit der bisherigen Regelung ohne den „Korridor einer noch zulässigen Unterrepräsentanz“ (s. Begründung) jemals Unklarheiten darüber gegeben hat, ob eine Unterrepräsentanz vorliegt oder nicht. Da die Unterrepräsentanz in Prozentzahlen errechnet wird, hat eine „ungerade Beschäftigtenzahl“ für die mit der Materie Vertrauten noch nie ernsthafte Probleme bereitet. Die Unterrepräsentanz (die entgegen der Begründung nicht „unzulässig“ im Sinne von rechtswidrig ist, sondern die erst einmal nur einen tatsächlichen Befund bezeichnet) ist wesentlicher Anknüpfungspunkt für unterschiedliche Maßnahmen, darunter auch die Auswahlentscheidung nach § 8: Die Fünf-Prozent-Marge höhlt aber die Bestimmtheit der Regelung aus und schränkt ihren Anwendungsbereich weiter ein.

b. Zu § 32 Abs. 2: Die knappe Frist von zehn Tagen stellt eine nicht sachgerechte Übernahme aus dem Personalvertretungsrecht dar, ohne zu bedenken, dass Personalräte als Kollegialorgan regelmäßig die Arbeit besser verteilen können und deren Frist neu zu laufen beginnt, wenn nicht alle Informationen vorhanden waren. Es empfiehlt sich, die bisherige Regelung zu belassen, die der GB als Teil der Verwaltung auferlegt, ihre Stellungnahme grundsätzlich sofort bzw. im Rahmen einer – am Umfang zu bemessenden – individuellen Fristsetzung abzugeben.

c. Zu § 23 Abs. 5: Neben dem Teilnahme- und Rederecht der GB im Präsidialrat müsste die Steigerung des Anteils weiblicher Richterinnen in Bundesgerichten zum ausdrücklichen Ziel des Richterwahlausschusses gemacht werden. Über Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist dies heute schon Aufgabe des Richterwahlausschusses, wird aber von diesem leider nur halbherzig beachtet. Es hat sich in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass weniger leistungsstarke männliche Mitbewerber entgegen Art. 33 Abs. 2 GG gewählt wurden, weil sie für „parteinäher“ gehalten wurden. Gelegentlich wurde auch (allerdings deutlich seltener) – ebenfalls in Widerspruch zu Art. 33 Abs. 2 GG – eine weniger leistungsstarke Frau gewählt, weil diese ebenfalls für „parteinäher“ gehalten wurde. Beides dient weder der Sache der Frauen noch der Leistungsfähigkeit der Gerichte und damit der Verantwortung des Staates vor der Öffentlichkeit. Als wirksame Abhilfe ließe sich vorstellen: Das Gesetz gewährt jeweils einem Mitglied der Präsidialräte (bevorzugt einem weiblichen Mitglied) im Richterwahlausschuss ein Rederecht, um die Leistungsbeurteilungen des Präsidialrats ggf. im Vergleich ergänzend zu erläutern.

Eine denkbare Alternative wäre, dass für jede Legislaturperiode ein weibliches Mitglied des Richterwahlausschusses zu dessen Gleichstellungsbeauftragter gemacht wird und gegenüber dem Präsidenten des Bundestags berichtspflichtig ist. Sie hätte insbesondere darüber zu wachen, dass Kandidatinnen, die der Präsidialrat als leistungsstärker eingestuft hat, nicht zugunsten von als leistungsschwächer eingestuften männlichen Bewerbern übergangen werden. In Zweifelsfällen wäre sie für eine umfassende Beachtung von personalakten-basierten Leistungskriterien zugunsten weiblicher Bewerberinnen zuständig. Andere Modelle ließen sich denken.

4. Fazit

Der Entwurf beruht auf einer unzureichenden Faktenbasis. Sein explizit genanntes Ziel, mittelfristig eine signifikante Verbesserung des Frauenanteils an Führungspositionen der Bundesverwaltung zu erreichen, wird nicht ernsthaft verfolgt. Die geplante alternierende Männerförderung – je nachdem, welches Geschlecht in einem der Bereiche unterrepräsentiert ist – begegnet nicht nur verfassungsrechtlichen Bedenken, sondern konterkariert auch das Ziel, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen.

Die Rolle der GB wird der des Personalrats angeglichen. Die rechtlich bedeutsame Frage, was dann noch eine Beschränkung auf weibliche GB und deren Wahl allein durch die weiblichen Beschäftigten einer Dienststelle zu legitimieren vermag, wird nicht beantwortet.

Neben dem Teilnahme- und Rederecht einer GB im gerichtlichen Präsidialrat sollte ein Kontrollorgan im Richterwahlausschuss geschaffen werden.

III. Artikel 1: Gesetz über die Mitwirkung des Bundes an der Besetzung von Gremien

Begrüßenswert ist das Ziel des Gesetzes, nämlich die paritätische Vertretung von Frauen und Männern in Gremien, soweit der Bund Mitglieder für diese bestimmen kann.

Unverständlich ist, dass sich die Bundesregierung ausgerechnet bei den besonders politiknahen Gremien, im Entwurf zudem noch wertend „wesentliche Gremien“ (§ 1 Nr. 2 und § 5) genannt, von der verbindlichen Quoten-Regelung des § 4 befreit. Denn bei diesen „wesentlichen Gremien“ verbleibt es bei der alten Hinwirkungspflicht.

Es ist davon auszugehen, dass künftig alle Gremien im politischen Umfeld als „wesentlich“ eingestuft werden können. § 5 Abs. 1 bestimmt insoweit nur:

„Die Institutionen des Bundes haben ein Gremium als wesentlich zu bestimmen, wenn es besondere tatsächliche, wissenschaftliche oder zukunftsrelevante Bedeutung hat.“

Es dürfte im politischen Bereich kein Gremium geben, das sich nicht mit ein paar guten Gründen als tatsächlich bedeutsam oder zukunftsrelevant bezeichnen könnte. Denn warum wäre das Gremium sonst gegründet worden? Es handelt sich also der Sache nach um ein durchaus breites Ausnahmefeld. Dies wird in der Begründung verdeckt, denn von einer inhaltlichen Eingrenzung des Begriffs der Wesentlichkeit in diesem Zusammenhang kann gerade nicht die Rede sein.

Warum eine solche Unterscheidung zwischen „wesentlichen Gremien“ und „Aufsichtsgremien“ (§ 4) sachgerecht sein könnte, erschließt sich nicht. Die Begründung des Entwurfs übergeht diese Frage.

Eine echte „Schärfung“ des bisherigen Bundesgremienbesetzungsgesetzes hätte wohl anders auszusehen.

Ramona Pisal
Präsidentin

Prof. Dr. Heide Pfarr
Vorsitzende der Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht

 

[1] Siehe im Einzelnen dazu: Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung – 2009 bis 2013. Mehr Frauen in Führungspositionen. Fazit und Forderungen“ Hrsg. Deutscher Juristinnenbund e.V., Berlin 2013.

[2] Siehe a.a.O. Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung – 2009 bis 2013, S. 10 u. 14/15.

[3] Siehe a.a.O. Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung – 2009 bis 2013, S. 15.

[4] Siehe a.a.O. Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung – 2009 bis 2013, S. 13 ff.

[5] Siehe a.a.O. Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung – 2009 bis 2013, S. 19.

[6]Rechtgutachten zur Frage der Zulässigkeit von Zielquoten für Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst sowie zur Verankerung von Sanktionen bei Nichteinhaltung, im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Inneres und Kommunales, Zugriff: 25.9.2014.