Pressemitteilung: 16-28


Einigung auf ein Lohngerechtigkeitsgesetz: djb bedauert Verzicht auf wirksame Instrumente – nun sind Tarifparteien und Betriebsräte gefordert

Pressemitteilung vom

Im Dezember 2015 hatte Bundesministerin Manuela Schwesig einen Entwurf für ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit vorgelegt. Davon ist nach monatelangem Ringen und der Einigung auf Eckpunkte gestern im Koalitionsausschuss leider recht wenig übriggeblieben. Ramona Pisal, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb): „Schwesig hatte die schwere Aufgabe, auf der Basis eines überaus schwach formulierten Koalitionsvertrages ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit vorzulegen. Für den Kompromiss im Koalitionsausschuss sind wichtige Elemente des Entwurfes auf der Strecke geblieben. Zu einem spürbaren Abbau des Gender Pay Gap kann dieses Gesetz nur beitragen, wenn sowohl die Tarifparteien wie die Betriebsräte tatsächlich aktiv tätig werden und die Hoffnungen der Ministerin auf die Appellwirkung des Gesetzes sich erfüllen.“

Zu den Eckpunkten im Einzelnen:

Der individuelle Auskunftsanspruch:

Ihm soll für die angestrebte Transparenz eine erhebliche Bedeutung zufallen. Allerdings wird der individuelle Auskunftsanspruch nicht gewährt in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten. Das aber sind gerade diejenigen Betriebe, in denen sehr viele Frauen beschäftigt werden und wo die Entgeltlücke besonders groß ist. Sie lässt das Gesetz komplett außen vor.

Die Verpflichtung zum Einsatz betrieblicher Prüfverfahren:

Auf der Strecke geblieben ist bedauerlicherweise vor allem das wirksamste Instrument aus dem Gesetzentwurf: die Verpflichtung für Betriebe (wenigstens) ab 500 Beschäftigten, durch betriebliche Prüfverfahren die Entgeltbestandteile und -bedingungen auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebotes zu durchleuchten. Nun soll es bei einer bloßen Aufforderung dazu bleiben.

Solche Aufforderungen wurden schon oft erhoben; sie bleiben regelmäßig ohne Widerhall. Ihre Durchsetzungskraft wird durch die Aufnahme ins Gesetzblatt wohl kaum gesteigert werden. Die Berichtspflicht für Kapitalgesellschaften ab 500 Beschäftigten über ihre Maßnahmen zur Gleichstellung und zur Entgeltgleichheit sah schon der Koalitionsvertrag vor. Ob die Berichtspflicht erfolgreich sein kann, wird von der Ausformulierung im Gesetz abhängen. Auch hier gilt: nach den bisherigen Erfahrungen mit derart „weichen“ Pflichten besteht für Optimismus kein Anlass.

„Stärkung“ der Betriebsräte und der Tarifautonomie

– ein im Prinzip lobenswertes Ziel. Ob es jedoch mit den Instrumenten dieses Gesetzes erreicht werden kann, ist zweifelhaft. Weniger zweifelhaft ist es aber, dass unter dieser Überschrift im Gesetzentwurf der Ministerin vorgesehene Instrumente zur Herstellung von Entgeltgerechtigkeit eingeschränkt worden sind. Zwar trifft es zu, dass die Entgeltlücke in Betrieben, in denen es einen Betriebsrat und einen Tarifvertrag gibt, geringer ist als im Durchschnitt. Aber sie besteht dennoch und für ein Tätigwerden von Tarifparteien wie Betriebsräten zugunsten von mehr Entgeltgerechtigkeit hat es bisher keineswegs an gesetzlich gestützten Möglichkeiten gemangelt. Schon nach geltendem Recht haben Betriebsräte das Recht, Einblick in die Lohn- und Gehaltslisten der Beschäftigten zu nehmen; das Betriebsverfassungsgesetz nennt ausdrücklich Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten, worauf das Gesetz jetzt Bezug nimmt. Davon haben die Betriebsräte bisher wenig Gebrauch gemacht. Dass die Wiederholung und Konkretisierung im Lohngerechtigkeitsgesetz das ändern wird, bleibt bloße Hoffnung. Wenn das Gesetz allerdings entsprechend wirkt und die Betriebsräte ihr Recht zukünftig auch in Anspruch nähmen, würde ihre Einschaltung die Wirksamkeit des individuellen Auskunftsanspruchs stärken.

Keine Prüfpflicht für tarifgebundene Betriebe:

Was die Tarifparteien betrifft, ist zwar in den Gewerkschaften die Sensibilität gegenüber Entgeltdiskriminierung und die Bereitschaft, dagegen tätig zu werden, erheblich gewachsen. Sie stoßen aber auf Seiten der Arbeitgeber schon deshalb auf erheblichen Widerstand, weil diese mit dem Abbau von diskriminierenden Entgeltunterschieden Lohnkostensteigerungen befürchten. Die Einführung einer Prüfpflicht hätte hier die Position der Gewerkschaften gestärkt. So aber wird es bei den verschleiernden Erklärungen der Tarifparteien bleiben. Sie werden die Tarifverträge und deren Transparenz loben, dabei aber ausblenden, dass auch in Tarifverträgen Entgeltdiskriminierungen vorkommen und dass selbst bei diskriminierungsfreien Tarifverträgen die betriebliche Umsetzung immer noch ein erhebliches Diskriminierungspotenzial hat. Mehr noch: diese Diskriminierungen werden in tarifgebundenen Betrieben sogar geschützt, da bei der Beantwortung eines Auskunftsanspruchs auf die tarifliche Entgeltregelung verwiesen werden kann und eine Prüfung der Gleichwertigkeit von Arbeiten nicht stattfinden muss. Das gleiche Privileg genießen Betriebe, die lediglich Tarifverträge anwenden. Wie das der Tarifautonomie dienlich sein soll, bleibt unerfindlich.