Pressemitteilung: 15-42


Offener Brief an Kanzleramt und zuständige Ministerien: djb fordert Ende der Blockade einer Reform des Sexualstrafrechts zur Umsetzung der Istanbul-Konvention des Europarats

Pressemitteilung vom

[Link: Offener Brief an Kanzleramt vom 24.11.2015]

Im Sommer 2014, vor über einem Jahr, hatten der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) und weitere große Frauenverbände sowie die in der Justizministerkonferenz zusammenarbeitenden Länder das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz darauf hingewiesen, dass zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention eine Reform des deutschen Sexualstrafrechts erforderlich ist. Art. 36 der Istanbul-Konvention verlangt von den Vertragsstaaten, dass jede nicht einverständliche sexuelle Handlung unter Strafe gestellt wird; dies ist in Deutschland nicht der Fall.

Der Bundesjustizminister hat einen Referentenentwurf zur Umsetzung der Istanbul-Konvention erarbeitet und am 14. Juli 2015 die Ressortabstimmung eingeleitet. Dieser Entwurf wurde seitdem nicht veröffentlicht. Auf eine parlamentarische Anfrage im September (BT-Drs. 18/6019 und Plenarprotokoll 18/123 Seite 11912D und 11913A) wurde lediglich mitgeteilt, dass die Ressortabstimmung noch nicht abgeschlossen sei und das Bundeskanzleramt der Verbändeanhörung noch nicht zugestimmt habe. Inzwischen sind zwei weitere Monate verstrichen. Gründe für die Blockade sind nicht benannt.

Zum heutigen Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen fordert der djb nunmehr in einem offenen Brief an das Bundeskanzleramt und die Fachressorts ein Ende der Verzögerung. Die Verbändeanhörung zu dem Referentenentwurf, der nach nicht bestätigten Meldungen die identifizierten Schutzlücken im Sexualstrafrecht schließen soll, ist endlich einzuleiten und eine Reform des Sexualstrafrechts im Sinne von „Nein heißt Nein“ auf den Weg zu bringen. Es besteht große Sorge, dass durch die Blockade Reformschritte in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden können und die Istanbul-Konvention nicht mehr ratifiziert werden wird. Der mit der Istanbul-Konvention intendierte Maßstab zum Schutz des Menschenrechts auf sexuelle Selbstbestimmung muss endlich auch in Deutschland gelten.

Die Einleitung der Reform durch die Verbändeanhörung wäre ein gutes und wichtiges Signal zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November 2015.

Hintergrund:

Die Istanbul-Konvention wurde am 11. Mai 2011 zur Zeichnung aufgelegt und an diesem Tag von Deutschland unterzeichnet. Bis zum 21. November 2015 haben folgende 19 Länder die Istanbul-Konvention ratifiziert und entsprechend umgesetzt: Albanien, Andorra, Bosnien und Herzegowina, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Malta, Monaco, Montenegro, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Serbien, Slowenien, Spanien, Türkei. Außer Deutschland fehlen noch 27 weitere Länder, vgl. Stand Unterschriften und Ratifikation des Vertrags auf der Webseite des Europarats.

Der djb hat in zwei Stellungnahmen (st14-07 vom 9. Mai 2014 und st14-14 vom 25. Juli 2014) bereits im ersten Halbjahr 2014 die notwendigen Reformerfordernisse aufgezeigt. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) hat 2014 eine Sammlung von Fällen zu bestehenden Schutzlücken im Sexualstrafrecht vorgelegt. Der bff hat im Sommer 2015 noch einmal ca. 50.000 Unterschriften von Personen gesammelt, die die Umsetzung der Istanbul-Konvention fordern.