Pressemitteilung: 15-19


Frauen und die „Power of Innovation“ bei VW: es läuft und läuft, langsam, aber stetig

Pressemitteilung vom

Mit der Hauptversammlung der Volkswagen AG in Hannover setzt der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) heute die von ihm initiierte Aktion „European Women Shareholders Demand Gender Equality“ fort. djb-Präsidentin Ramona Pisal wird die kritischen Fragen an Aufsichtsrat und Vorstand zu Frauen in Führungspositionen des Unternehmens stellen.

Nachdem Dr. Louise Kiesling und Julia Kuhn-Piëch letzte Woche mit sofortiger Wirkung als Aufsichtsrätinnen bestellt wurden, erfüllt VW auf Anteilseignerseite schon die ab 2016 geltende Vorgabe von 30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat. Jetzt ist vor allem die Arbeitnehmerseite am Zuge, bald zwei weitere Aufsichtsrätinnen zu finden.

Der VW-Vorstand ist leider weiterhin rein männlich besetzt.

Einen Frauenanteil von 30 Prozent strebt VW in Deutschland langfristig auf allen Hierarchieebenen des Managements an. Das bleibt ein langer Weg, denn im Vergleich zum Vorjahr liegt der Anstieg 2014 hier nur bei 0,4 Prozentpunkten auf 10,2 Prozent; im TOP-Management beträgt der Zuwachs immerhin 0,9 Prozentpunkte mit einem Anstieg auf 5,7 Prozent (Geschäftsbericht 2014, Stand: 31.12.2014). Um den Anteil von Frauen bei Volkswagen in Deutschland insgesamt zu steigern, nutzt das Unternehmen ein wesentliches Mittel: die Quotierung bei der Einstellung von Hochschulabsolventen. VW orientiert sich insoweit am Anteil der Absolventinnen in den für das Unternehmen relevanten Studiengängen. Damit soll bei der Einstellung von Hochschulabsolventen im Durchschnitt aller Studiengänge ein Frauenanteil von 30 Prozent erreicht werden. Gleiches gilt für Auszubildende im gewerblich-technischen Bereich.

Damit schert VW aus der Reihe der technischen Unternehmen aus, die stets behaupten, es gebe nicht ausreichend Frauen in den MINT-Fächern für (Führungs-)Positionen.

Pisal: „’Power of Innovation’ bei der Einstellung von Frauen tut dem Unternehmen gut. Hier war VW kontinuierlich unterwegs. Neben ambitionierten Profitabilitätszielen setzt das Unternehmen sich auch ambitionierte Ziele zur Gewinnung von Frauen mit der Einführung unternehmenseigener Quoten. Jetzt sind wir gespannt, wann VW das erste weibliche Vorstandsmitglied präsentieren wird.“

 

Hintergrund

Das am 6. März 2015 im Bundestag verabschiedete „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ legt u.a. eine feste Quote von 30 Prozent Frauen für die Aufsichtsräte der circa 100 größten deutschen Unternehmen fest. Der djb begrüßt die Frauenquote grundsätzlich als einen wichtigen ersten Schritt zur Verwirklichung der im Grundgesetz und auf europäischer Ebene garantierten Gleichstellung der Frauen. Die Größenordnung ist aber wenig ambitioniert. Gefordert wird daher weiterhin eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent für Aufsichtsräte, Vorstände und alle Führungspositionen.

Dies wird auf europäischer Ebene ähnlich gesehen. Der derzeit verhandelte Entwurf der EU-Richtlinie zur „Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen“ sieht die vom djb geforderte Zielquote von 40 Prozent vor. Allerdings wurde mit Art. 4b) dort kürzlich eine „Flexibilitätsklausel“ eingefügt, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, diese Zielquote unter bestimmten Bedingungen auszusetzen. Darauf könnte Deutschland sich jetzt berufen, denn dafür soll eine verbindliche Quote von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten ausreichen.

Das vom djb initiierte Projekt „European Women Shareholders Demand Gender Equality“ erhielt 2014 von der Europäischen Kommission neben 16 weiteren europäischen Projekten den Zuschlag für eine Förderung nach dem PROGRESS-Programm. Es wird kofinanziert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt und der Finnischen Handelskammer. Zu den Projektpartnern gehören neben dem djb: die vier Juristinnenorganisationen European Women Lawyers Association (EWLA), EWLA Bulgarien, Association française des femmes juristes (AFFJ), der Ungarische Anwältinnenverband sowie die Finnische Handelskammer und die Universität von Westengland. Die Hochschule Magdeburg Stendal ist für die Medienarbeit zuständig.

Juristinnen und andere Fachfrauen besuchen seit Beginn des Jahres in elf EU-Mitgliedstaaten circa 100 Hauptversammlungen großer börsennotierter Aktiengesellschaften. In den Beneluxstaaten, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien und Spanien müssen sich die im EURO STOXX 50 notierten Unternehmen den kritischen Fragen der Juristinnen stellen, in Bulgarien, Ungarn und dem Vereinigten Königreich sind es die im BUX-, SOFIX- und FTSE-notierten Unternehmen.

Das Projekt schließt an das vom BMFSFJ geförderte deutsche Projekt "Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung" an und setzt es europaweit fort. Mitglieder des djb und andere Aktionärinnen haben von 2009 bis 2013 insgesamt 300 Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften in Deutschland besucht und von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch gemacht. Die Antworten der Aufsichtsräte und Vorstände auf die Fragen nach den Frauen in Führungspositionen des Unternehmens sind ausgewertet und in vier Studien veröffentlicht worden.