Pressemitteilung: 15-11


Frauen in Führungspositionen: Bei Daimler auf Rekordfahrt?

Pressemitteilung vom

Die Aktion "European Women Shareholders Demand Gender Equality" wird heute mit der Hauptversammlung der Daimler AG in Berlin fortgesetzt. Für den Projektträger Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) wird Prof. Dr. Angela Kolb, Ministerin für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg, die kritischen Fragen zu Frauen in Führungspositionen an Aufsichtsrat und Vorstand stellen. Kolb wird begleitet von Ramona Pisal, Präsidentin des djb, Berlin.

Kolb: "Die Selbstverpflichtung der Privatwirtschaft aus dem Jahr 2001 hat zu nichts geführt. Erst ab 2009 hat sich unter enormem öffentlichen Druck zumindest in den Aufsichtsräten etwas bewegt, während es im Vorstand und im Top-Management bei einzelnen, wenigen Frauen bleibt. Ich habe mich deshalb im Bundesrat erfolgreich für mehr Frauen in Führungspositionen und die Einführung einer Frauenquote eingesetzt."

Im Daimler-Aufsichtsrat sitzen 25 Prozent Frauen, auf Anteilseignerseite sind es sogar 30 Prozent, gerade auf dieser Seite der Bank eher untypisch und durchaus bemerkenswert. Mit Blick auf die Aufsichtsrätinnen und das gerade beschlossene "Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst" ist hier jetzt zunächst die Arbeitnehmerseite gefragt. Auch im Vorstand ließ Daimler 2011 die Konkurrenz hinter sich: Mit Dr. Christine Hohmann-Dennhardt nahm die erste Frau in der Firmengeschichte im Vorstand das Steuer in die Hand.

Das künftige Gesetz fordert verbindliche Zielvorgaben für Aufsichtsräte, Vorstände und oberste Management-Ebenen zur Erhöhung des Frauenanteils. Bei Daimler liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei 14,6 Prozent, der Zuwachs seit Jahren bei knapp einem Prozent. Pisal: "Sein selbstgestecktes Ziel von 20 Prozent bis 2020 wird der Autobauer damit zwar erreichen. Aber wäre da nicht noch ein bisschen mehr unter der Haube? Beschleunigung ist Daimler ja nicht fremd. Vorstandschef Dr. Zetsche testete kürzlich persönlich ein 500 PS-Geschoss und ist auch sonst mit Daimler auf Rekordfahrt. Mehr Tempo wünschen wir uns auch bei der Beförderung von Frauen. Meine Herren, geben Sie Gas."

 

Hintergrund

Das am 6. März 2015 im Bundestag verabschiedete "Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst" legt u.a. eine feste Quote von 30 Prozent Frauen für die Aufsichtsräte der ca. 100 größten deutschen Unternehmen fest. Der djb begrüßt die Frauenquote grundsätzlich als einen wichtigen ersten Schritt zur Verwirklichung der im Grundgesetz und auf europäischer Ebene garantierten Gleichstellung der Frauen. Die Größenordnung ist aber wenig ambitioniert. Gefordert wird daher weiterhin eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent für Aufsichtsräte, Vorstände und alle Führungspositionen.

Dies wird auf europäischer Ebene ähnlich gesehen. Der derzeit verhandelte Entwurf der EU-Richtlinie zur „Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen“ sieht die vom djb geforderte Zielquote von 40 Prozent vor. Allerdings wurde mit Art. 4b) dort kürzlich eine "Flexibilitätsklausel" eingefügt, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, diese Zielquote unter bestimmten Bedingungen auszusetzen. Darauf könnte Deutschland sich jetzt berufen, denn dafür soll eine verbindliche Quote von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten ausreichen.

Das vom djb initiierte Projekt "European Women Shareholders Demand Gender Equality" erhielt 2014 von der Europäischen Kommission neben 16 weiteren europäischen Projekten den Zuschlag für eine Förderung nach dem PROGRESS-Programm. Es wird kofinanziert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt und der Finnischen Handelskammer. Zu den Projektpartnern gehören neben dem djb: die vier Juristinnenorganisationen EWLA (European Women Lawyers Association), EWLA Bulgarien, AFFJ (Association française des femmes juristes), der Ungarische Anwältinnenverband sowie die Finnische Handelskammer und die Universität von Westengland. Die Universität Magdeburg Stendal ist für Medienarbeit zuständig.

Derzeit besuchen Juristinnen und andere Fachfrauen in elf EU-Mitgliedstaaten ca. 100 Hauptversammlungen großer börsennotierter Aktiengesellschaften. In den Beneluxstaaten, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien und Spanien müssen sich die im EURO STOXX 50 notierten Unternehmen den kritischen Fragen der Juristinnen stellen, in Bulgarien, Ungarn und dem Vereinigten Königreich sind es die im BUX-, SOFIX- und FTSE notierten Unternehmen.

Das Projekt schließt an das vom BMFSFJ geförderte deutsche Projekt "Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung – Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen, insbesondere Aufsichtsratspositionen deutscher Unternehmen" an und setzt es europaweit fort. Im Zuge des vom BMFSFJ geförderten Projekts „Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung“ haben djb-Mitglieder und andere Aktionärinnen von 2009 bis 2013 insgesamt 300 Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften besucht und von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch gemacht. Die Antworten der Aufsichtsräte und Vorstände auf die Fragen nach den Frauen in Führungspositionen des Unternehmens sind ausgewertet und in vier Studien veröffentlicht worden.