Pressemitteilung: 14-27


Gemeinsame Elternverantwortung gibt es nicht zum Nulltarif – Juristinnen warnen vor Kürzungen zu Lasten von Alleinerziehenden bei anstehender Reform des SGB II

Pressemitteilung vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) fordert, im "Hartz IV"-System der Grundsicherung (SGB II) keine faktische Kürzung zu Lasten der Alleinerziehenden vorzunehmen, stattdessen aber einen Mehrbedarf für Umgangsberechtigte einzuführen. Dieser unbürokratische Zuschlag soll gewährleisten, dass das Existenzminimum der Kinder in beiden Haushalten der getrennt lebenden Eltern sichergestellt ist. Nur so wird gemeinsame Elternverantwortung ermöglicht.

"Kinder haben ein Recht auf Umgang mit beiden Eltern und zwar auch nach einer Trennung oder Scheidung der Eltern. Die Wahrnehmung der Elternverantwortung muss aber auch für die Eltern finanzierbar sein und darf nicht nur in der Theorie bestehen. Dies gilt auch für "Hartz IV"-Empfängerinnen und -Empfänger. Die beabsichtigten Pläne zur gesetzlichen Aufteilung der Kinderregelsätze zwischen getrennt lebenden Eltern bewirken faktisch eine Leistungskürzung bei Alleinerziehenden. Es besteht die Gefahr, dass das Existenzminimum von Kindern, die zwischen zwei Haushalten pendeln, nicht gedeckt ist und die Familien gemeinsame Sorgeverantwortung daher praktisch nicht leben können. Dies widerspricht dem Schutz der Familie nach Artikel 6 Grundgesetz", erklärt Ramona Pisal, Präsidentin des djb.

Im Familienrecht ist die gemeinsame elterliche Sorge bereits als Regelfall verankert. Dies muss sich auch im Existenzsicherungsrecht widerspiegeln. Aktuell gibt es im SGB II keine gesetzlichen Regelungen für die Existenzsicherung von Kindern, deren Eltern getrennt leben. Die Rechtsprechung hat für Streitfälle die Konstruktion der "temporären Bedarfsgemeinschaft" entwickelt. Für die Zeiten des Aufenthalts beim umgangsberechtigten Elternteil können die Leistungen für das Kind pro Tag berechnet, dem Umgangsberechtigten zugewiesen und in dieser Höhe bei dem anderen Elternteil gekürzt werden. Gegen diese Methode, die jetzt gesetzlich verankert werden soll, spricht viel:

Sie bestraft die Bereitschaft, einen großzügigen Umgang zuzulassen, denn dann kommt es zu Leistungskürzungen. Sie belastet die Jobcenter mit einem immensen Verwaltungsaufwand. Sie geht auch an der Lebenswirklichkeit der Familien vorbei. Gerade im Trennungsfall ist von einer Verständigung über die Aufteilung der regelmäßigen Ausgaben für die gemeinsamen Kinder nicht auszugehen. Außerdem bleiben die durch das Pendeln der Kinder verursachten zusätzlichen Kosten unberücksichtigt. Viele Dinge müssen doppelt vorhanden sein, wenn ein Kind abwechselnd in zwei Haushalten lebt.

Der djb fordert daher, in den anstehenden Gesetzentwurf zum SGB II einen Mehrbedarf für Umgangsberechtigte aufzunehmen und von Kürzungsplänen bei Alleinerziehenden Abstand zu nehmen. Durch einen pauschalen Zuschlag können die Mehrkosten im Haushalt des Umgangsberechtigten kompensiert und so das Existenzminimum von Kindern in beiden Elternhaushalten sicherstellt werden.