Stellungnahme: 14-10


zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG-E, in der Fassung der Kabinettvorlage vom 30. Mai 2014)

Stellungnahme vom

Die Abschaffung des doppelten Anspruchsverbrauchs bei gleichzeitiger Teilzeitarbeit der Eltern ist eine langjährige Forderung des djb, deren Umsetzung der Verband uneingeschränkt begrüßt und befürwortet. Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) unterstützt das Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter aktiv zu fördern. Dafür brauchen Eltern sowohl zeitliche als auch finanzielle Ressourcen, gerade in der besonders betreuungsintensiven Phase nach der Geburt und in den ersten Lebensjahren bzw. nach der Aufnahme eines Kindes in den Haushalt. Diese Lebensphase ist auch gleichstellungspolitisch von enormer Bedeutung, weil hier wichtige Entscheidungen für die Erwerbsbiografien der Eltern fallen. Der djb begrüßt deshalb das Vorhaben, partnerschaftliche Modelle der Verteilung der Sorgearbeit für Paarelternfamilien als Leitbild im Recht zu verankern und Eltern in dieser Lebensphase mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Er regt an, die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen des Partnerschaftsbonus zu vereinfachen, damit mehr Paarelternfamilien die Möglichkeit wahrnehmen können, das partnerschaftliche Modell in ihrem Alltag mit staatlicher Unterstützung zu praktizieren. Darüber hinaus sollte die Definition des Alleinerziehens im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), den Entwicklungen der familienrechtlichen Praxis Rechnung tragend, reformiert werden. Schließlich erfordert das Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, neben der Gestaltung von Transferleistungen Reformen im Arbeitsrecht, um Eltern bessere Rechte zur Umsetzung ihrer Arbeitszeitwünsche zu geben. Perspektivisch fordert der djb außerdem, die Partnermonate beim Elterngeld für Paarelternfamilien auszuweiten.
 

I. Im Einzelnen zum Entwurf:

1. Ausgestaltung der Partnerschaftsbonusmonate vereinfachen

Der Gesetzgeber ist berechtigt, eine besondere Form partnerschaftlicher Erziehungsverantwortung durch weitere Maßnahmen und finanzielle Anreize wie die Partnerschaftsbonusmonate zu unterstützen. Hier sind die Anspruchsvoraussetzungen des Entwurfs jedoch zu restriktiv und kompliziert.

Der geplante Korridor bei den Partnerschaftsbonusmonaten (§ 4 Abs. 4 S. 3 BEEG-E) für eine Teilzeittätigkeit jedes Elternteils zwischen 25 und 30 Stunden pro Woche ist aus Sicht des djb zu eng. Der djb empfiehlt, diesen Korridor auf 20 bis 30 Stunden pro Woche auszuweiten. Das würde den Gestaltungsspielraum der Eltern erhöhen und mehr Paaren ermöglichen, ein partnerschaftliches Modell auch tatsächlich zu leben. Aus Sicht des djb ist zu begrüßen, dass der Entwurf eine Arbeitszeituntergrenze für den Partnerschaftsbonus beim Elterngeld Plus festlegt. Zwar sind solche Untergrenzen dem BEEG bisher fremd, im konkreten Fall ist die Grenzziehung aber gleichstellungspolitisch wichtig, da der Partnerschaftsbonus keine Anreize für geringfügige Teilzeit setzen soll, die erfahrungsgemäß vor allem Mütter ausüben. Da der Partnerschaftsbonus im Regelfall die Teilzeittätigkeit beider Eltern erfordert und es sich um eine Übergangsphase während der Kleinkindbetreuung handelt, hält der djb die Herabsetzung der Untergrenze auf 20 Stunden für gleichstellungspolitisch vertretbar. Sie hätte für viele Eltern den Vorteil der Praktikabilität, denn erfahrungsgemäß tun sich Arbeitgeber weniger schwer damit, Stellen zu „halbieren“, als Zwischenmodelle zu ermöglichen. Weil viele Frauen teilzeitbeschäftigt sind, könnten bei einer Ausweitung des Korridors auf 20 bis 30 Stunden darüber hinaus mehr Frauen von den Partnerschaftsbonusmonaten profitieren.

Während der Partnerschaftsbonus des § 4 Abs. 4 S. 3 BEEG-E vom djb begrüßt wird, sollten jedoch die Alleinerziehenden nicht aus dem Blick geraten. Sozialleistungen sollten auch darauf abzielen, die finanzielle Eigenständigkeit von Alleinerziehenden, die weit überwiegend Frauen sind, zu stärken und sie in ihrer Lebenssituation zu unterstützen. Der Gesetzgeber ist in der Pflicht, auch für die Gruppe der Einelternfamilien Verbesserungen im Sozial- und Steuerrecht auf den Weg zu bringen.
 

2. Definition eines alleinerziehenden Elternteils vom Familienrecht entkoppeln

Der djb regt an, die Definition des Begriffs „alleinerziehend“ im BEEG
(§ 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 und 2 BEEG-E) grundlegend zu überarbeiten und von familienrechtlichen Definitionen zu entkoppeln. Damit würde der Gesetzgeber der Entwicklung Rechnung tragen, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Familienrecht immer stärker zum Normalfall wird und dennoch häufig die tatsächliche Sorge im Alltag für Pflege und Erziehung überwiegend allein bei einem Elternteil, der mit dem Kind ohne den anderen Elternteil in einem Haushalt lebt, liegen kann. Auch die anderen Varianten des § 4 Abs. 6 BEEG (Aufenthaltsbestimmungsrecht, vorläufige Übertragung der elterlichen Sorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts, sowie die Kindeswohlgefährdung nach
§ 1666 Abs. 1 BGB) weisen dieses Problem auf bzw. sind wie § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BEEG-E in der Praxis schwer nachzuweisen und deshalb für den Antrag auf Elterngeld nicht praktikabel. Aus Sicht des djb zielen die Regelungen für Alleinerziehende im BEEG darauf ab, den tatsächlichen Lebensumständen von Einelternfamilien Rechnung zu tragen. Deshalb sollte auch auf diese Umstände abgestellt werden. Für die Neugestaltung könnte einerseits an sozialrechtliche Definitionen (vgl. z.B. § 21 Abs. 3 SGB II, § 30 Abs. 3 SGB XII), andererseits an das Steuerrecht (§ 24b Abs. 2 EStG) angeknüpft werden. Im SGB II und SGB XII wird auf die tatsächliche überwiegend alleinige Übernahme der Pflege und Erziehung des Kindes abgestellt, die im Einzelfall zu ermitteln ist. Die Regelung berücksichtigt die tatsächlichen Gegebenheiten. Alternativ könnte auch § 24b EStG zum Vorbild genommen werden, dessen Anforderungen sehr klar formuliert und mit wenig Interpretationsspielraum für die Verwaltung umsetzbar sind. Voraussetzung ist, dass die Alleinerziehenden mit mindestens einem minderjährigen Kind eine Haushaltsgemeinschaft bilden und mit Hauptwohnsitz in der gemeinsamen Wohnung gemeldet sind. Es darf keine „Haushaltsgemeinschaft“ mit einer anderen Person bestehen, also keine zweite erwachsene Person im Haushalt gemeldet sein, es sei denn, für diese besteht ein Anspruch auf Kindergeld (z.B. volljähriges Kind in der Ausbildung). Ist doch eine zweite Person gemeldet, wird das Vorliegen des gemeinsamen Wirtschaftens in einer „Haushaltsgemeinschaft“ vermutet (§ 26b Abs. 2 S. 2 EStG). Diese Vermutung kann widerlegt werden, es sei denn, die steuerpflichtige und die andere Person leben in einer eheähnlichen Gemeinschaft oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (§ 26b Abs. 2 S. 3 EStG). Diese Regelung würde es (wie die Definition von § 21 Abs. 3 SGB II) ermöglichen, dass auch eine Alleinerziehende, die mit dem Neugeborenen zu den Großeltern zieht oder in einer WG lebt, als alleinerziehend im Sinne des BEEG gilt. Beide Definitionsvarianten sind sinnvolle Alternativen zur derzeitigen Rechtslage und dürften zu einer Rechtsvereinfachung im Sinne der Unterstützung von Einelternfamilien beitragen.

3. Arbeitsrechtliche Verbesserungsvorschläge

Die Durchsetzbarkeit von Arbeitszeitwünschen ist entscheidend für die Gestaltung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der djb begrüßt das Vorhaben des Entwurfs, Eltern die Möglichkeit zu geben, auch ohne die Zustimmung des Arbeitgebers (§ 15 Abs. 2 S. 2 BEEG-E) die Inanspruchnahme eines Teils der Elternzeit auf die Zeit zwischen drittem Geburtstag und Vollendung des achten Lebensjahres zu verschieben. Allerdings wäre eine Ausweitung bzgl. des Alters auf 14 Jahre sinnvoll, denn gerade zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr, wenn der Schulwechsel ansteht und die Pubertät beginnt, kann es ggf. noch einmal vermehrten Bedarf an Elternzeit für die Betreuung der Kinder geben. Bedauerlich ist, dass der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach
§ 15 Abs. 7 BEEG weiterhin nur in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten bestehen soll. Diese Einschränkung sollte entfallen, damit alle Eltern in Elternzeit Anspruch auf Teilzeitarbeit aus dem BEEG geltend machen können und nach Ende der Elternzeit die Möglichkeit erhalten, auf ihre ursprünglich vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zurückzukehren.
 

a) Verteilung der Arbeitszeit bei Teilzeitarbeit

Zu kritisieren ist, dass für das Problem der Verteilung der Arbeitszeit im Falle ihrer Verringerung keine Lösung vorgeschlagen wird. Die Festlegung der Lage der Arbeitszeit ist praktisch von unschätzbarer Bedeutung, da gerade die Erwerbsarbeit mit den Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen, den Arbeitszeiten der Großeltern oder des Partners/der Partnerin o.ä. abgestimmt werden muss. Dies gilt umso mehr, wenn ein partnerschaftliches Modell der gemeinsamen Versorgung bei doppelter Berufstätigkeit gefördert werden soll. Kann die Lage der Arbeitszeit nicht durch die Beschäftigten mitdefiniert werden, so sehen sie sich häufig gezwungen, auf die Erwerbsarbeit zu verzichten. Es müsste deshalb auch ein Recht auf Neuverteilung der Arbeitszeit unabhängig von einer Arbeitszeitreduzierung geschaffen werden. Vielen Eltern ist damit bereits gedient; sie müssen gar nicht ihre Arbeitszeit reduzieren, um ihren familiären Sorgepflichten nachzukommen, sondern sind nur auf eine bestimmte Lage der Arbeitszeit angewiesen. Dies gilt insbesondere für Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der Elternzeit bereits teilzeitbeschäftigt sind.

Der Gesetzgeber sollte zur besseren Durchsetzung der Rechte ein Verfahren für  die Verhandlung über Arbeits(zeit-)arrangements vorschreiben, ähnlich dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement in
§ 84 SGB IX und mit denselben Rechtsfolgen bei Missachtung. Die Erfahrung lehrt, dass die Ausstattung mit Rechten angesichts des Verhandlungsungleichgewichts in der Regel allein nicht genügt. Es ist kein Zufall, dass gerichtliche Auseinandersetzungen über die Reduzierung der Arbeitszeit nach geltendem Recht fast ausschließlich auf den öffentlichen Dienst beschränkt sind.

Nach ggf. längerer beruflicher Auszeit ist der Informationsstand der Betroffenen über die Situation im Betrieb häufig schlecht, was nicht nur die Argumentation im Konfliktfall erschwert, sondern auch unter anderen Gesichtspunkten nachteilig für Beschäftigte in Elternzeit ist. Dies macht es grundsätzlich erforderlich, geeignete Maßnahmen zu etablieren, damit Eltern während der Elternzeit mit dem Betrieb in Kontakt bleiben können. Hierzu fehlt es im Entwurf trotz des entsprechenden Hinweises in
RL 2010/18/EU (§ 6 Nr. 2 Rahmenvereinbarung) leider an geeigneten Vorschlägen.
 

b) Arbeitsrechtliche Regelungen zur Rückkehr aus der Elternzeit

Leider beschäftigt sich der Entwurf nicht mit dem drängenden Problem des Wiedereinstiegs bzw. der Rückkehr aus der Elternzeit und versäumt insofern auch eine Umsetzung der Eltern­urlaubs­richtlinie 2010/18/EU. So gebietet die Richtlinie z.B. die Schaffung eines Rechts auf Neuverteilung der Arbeitszeit bei der Rückkehr nach dem Eltern­urlaub. Es müsste ein Recht auf individuelle Arbeitszeit- und andere Arbeitsarrangements nach Rückkehr aus der Elternzeit vorgesehen werden.

Darüber hinaus sollten entsprechend den Vorgaben der RL 2010/18/EU (§ 5 Rahmenvereinbarung) ausdrückliche Ansprüche zur Rückkehr auf den gleichen oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz im BEEG verankert und  auch die vorzeitige Rückkehr aus der Elternzeit erleichtert werden.
 

c) Kündigungsschutz wegen der Elternzeit

Handlungsbedarf sieht der djb darüber hinaus beim Kündigungsschutz, der bisher nur während der Elternzeit und ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit besteht. Wichtig wäre ein entsprechendes arbeitgeberseitiges Kündigungsverbot auch wegen der in Anspruch genommenen Elternzeit, beispielsweise für vier Monate nach Rückkehr in den Betrieb analog § 9 Abs. 1 MuSchG. Während dieser Zeit kann geprüft werden, durch welche befristeten Arbeitszeitregelungen und/oder Arbeitsarrangements die weitere Beschäftigung im Betrieb gestaltet und sichergestellt werden kann.
 

4. Partnermonate weiter ausbauen

Die sog. Partnermonate (§ 4 Abs. 2 S. 3 BEEG) stellen ein gutes Instrument dar, partner­schaft­liche Erziehung zu unterstützen und zu stärken. Die Zahlen zeigen, dass Väter die Partnermonate intensiv nutzen, aber oft nur im Umfang der Zeit, die sonst verfallen würde – also für zwei Monate. Der djb sieht sich in seiner langjährigen Forderung bestätigt, den Anteil der Partnermonate zu erhöhen. Berufliche Unterbrechungen aufgrund der Kinderbetreuung sollten vor allem für Männer an Akzeptanz gewinnen und so den Makel der „Illoyalität“ gegenüber dem Arbeitgeber verlieren. Die Ausweitung der Partnermonate erleichtert es Vätern, die Betreuung ihrer Kinder zu übernehmen und ist deshalb geeignet, längerfristig auf einen Wandel in der Organisationskultur in Unternehmen und Dienststellen hinzuwirken. Damit würde sowohl individueller Einstellungswandel begünstigt als auch institutionelle Hemmnisse für die Übernahme von Betreuungsaufgaben durch Väter abgebaut. Die Partnermonate sollten daher weiter ausgebaut werden, in einem nächsten Schritt auf vier Monate, entweder im bisherigen absoluten Rahmen, durch Erweiterung des Elterngeldbezugs insgesamt oder im Wege eines Mischmodells.

Ramona Pisal
Präsidentin

Dr. Maria Wersig
Vorsitzende der Kommission Recht der sozialen Sicherung, Familienlastenausgleich