Pressemitteilung: 15-02


Koalitionspläne: Prostituierten drohen neue Gefahren

Pressemitteilung vom

 

Prostituiertenschutz paradox: Statt Prostituierte zu schützen, wie es die Bundesregierung angekündigt hat, würde sich ihre Situation mit der Einführung von Zwangsuntersuchungen, einem Mindestalter von 21 und einer Anmeldepflicht massiv verschlechtern. In einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesministerin Manuela Schwesig sowie die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen haben sich Frauenrechtsorganisationen, Sozialverbände sowie Beratungsstellen für Prostituierte und Opfer von Menschenhandel gegen die noch strittigen Maßnahmen ausgesprochen.

Statt Prostituierte zu kriminalisieren und zu stigmatisieren, sollen sie mit dem neuen Gesetz in ihren Rechten gestärkt und vor Gewalt und Demütigung geschützt werden – das ist Konsens in der Koalition. „Die Prostituierten, die diese Erwerbstätigkeit freiwillig und selbstbestimmt gewählt haben, sollen sich darauf verlassen können, dass der Gesetzgeber ihnen ein sicheres, angstfreies Leben ohne gesellschaftliche Ächtung ermöglichen will,“ so Susanne Kahl-Passoth, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrates. Umso unverständlicher ist die Diskussion um die Anhebung des Mindestalters auf 21. Die Unterzeichnerinnen sehen hier einen Verstoß gegen die Einheit der Rechtsordnung, denn in Deutschland gilt mit 18 Jahren die Volljährigkeit.

Wer meint, die unter 21-Jährigen mit dieser Maßnahme schützen zu können, unterschlägt die Konsequenzen: Die Prostituierten, die jünger als 21 sind, werden in die Illegalität gedrängt und damit im Notfall für polizeiliche Behörden und Hilfsangebote unerreichbar. Andrea Hitzke, Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission e.V., betont: „Grundsätzlich muss eine Kriminalisierung der jungen Menschen in der Prostitution vermieden werden. Gleichzeitig muss der Gesetzgeber eine Verdrängung in Prostitutionsbereiche verhindern, in denen die SexarbeiterInnen leicht Opfer von Ausbeutung und Gewalt werden.“

Monika Nürnberger, Leiterin des Berliner Frauentreffs Olga, ist überzeugt: „Eine Verschiebung der Altersgrenze wird nicht dafür sorgen, dass es keine SexarbeiterInnen mehr unter 21 Jahren gibt. Es wird sie dann nur in einem versteckten und damit unregulierbaren und unsicheren Bereich geben.“
Die umstrittenen Zwangsuntersuchungen lehnen die Unterzeichnerinnen ebenso ab. Sie widersprechen bewährten Strategien zur Bekämpfung sexuell übertragbarer Krankheiten. “Selbst vor Einführung des Infektionsschutzgesetzes haben sich die anonymen, kostenlosen Untersuchungsangebote der Gesundheitsämter in einigen Regionen Deutschlands als ausgesprochen effektiv erwiesen. Prävention durch Aufklärung hat immer besser funktioniert als Repressalien und Kontrolle“, so Marianne Rademacher von der Deutschen AIDS-Hilfe.

„Auch verfassungsrechtlich sind die vorgeschlagenen Pflichtuntersuchungen höchst bedenklich, wenn sie sich allein an den Personenkreis der Prostituierten richten“, erklärt Dr. Maria Wersig, Deutscher Juristinnenbund. Vor allem aber würden sie neuer Gefahr ausgesetzt: Dann nämlich, wenn Freier die Untersuchungsbescheinigungen als Freipass zu ungeschütztem Verkehr betrachten.

Im Widerspruch zum Prostituiertenschutz steht nach Auffassung der Unterzeichnerinnen auch die geplante Anmeldepflicht. Sie würde nur zu neuer Stigmatisierung von Prostituierten führen und hätten keinerlei Nutzen für die Bekämpfung von Zwangsprostitution. „Eine Anmeldepflicht birgt die Gefahr eines Zwangsoutings, ist datenschutzrechtlich bedenklich und würde viele Prostituierte in die Illegalität drängen“, erklärt Andrea Hitzke.

Oberstes Gebot bei den anstehenden Beratungen zum Prostituiertenschutzgesetz muss sein, die legale Prostitution und den Menschenhandel nicht miteinander zu vermengen. „Das Prosti-tutionsgesetz richtet sich an legale, das heißt an freiwillige Sexarbeiter/-innen. Es regelt nicht, wie Opfer von Menschenhandel, Minderjährige oder Menschen ohne Papiere in der Prostitution geschützt werden. Es geht darum, die rechtliche und soziale Lage zu verbessern und für Sicherheit zu sorgen“, so Maria Loheide, Diakonie Deutschland.

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