Stellungnahme: 14-12


zur öffentlichen Konsultation zur Funktionsweise der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur A

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) dankt dem BMJV für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Kommissionsbericht vom 15. April 2014 im Verfahren zur Reform der Brüssel-IIa-Verordnung. Er unterstützt nachdrücklich eine behutsame Reform einiger Aspekte dieses wichtigen und grundsätzlich – in der Praxis – sehr erfolgreichen Instruments.

 

Im Einzelnen:

1) Der djb befürwortet eine stärkere Harmonisierung der Brüssel-IIa-Verordnung mit der Rom-III-Verordnung, um das ausgewogene Zusammenspiel von internationaler Zuständigkeit, anwendbarem Recht und Anerkennung im Bereich der Ehescheidung und der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes zu verbessern. Ziel der Harmonisierung sollte eine möglichst einfache, in der Sache klare und wenig "beeinflussbare" (sei es von der Partei oder seitens des Gerichts durch Auslegung) Regelung sein, die die aktuelle Lebenssituation der beteiligten Parteien hinreichend berücksichtigt.

Eine solche Harmonisierung ist von maßgeblicher Bedeutung, um die Belange der in der Regel finanziell noch immer benachteiligten Frauen und Kinder ausreichend zu schützen.

 

a) Ein Gleichlauf von forum und ius ist unter praktischen Gesichtspunkten (Anwendung des bekannten Rechts) sicherlich vorteilhaft und fördert die Akzeptanz. Es gilt jedoch in Anbetracht der geographischen Lücken der Rom-III-Verordnung einen Wettlauf zu den Gerichten zu vermeiden. Die Zulässigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung für Ehegatten hält der djb deshalb für wünschenswert.

Es wird angeregt, sich an den Vorbildern aus KOM(2006) 399 endgültig, Art. 4 EuUntVO und Art. 5 EuErbVO zu orientieren. Die Regelung einer Gerichtsstandsvereinbarung für Ehegatten könnte daher folgende Punkte umfassen:

"Ehegatten, die die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes beantragen möchten, können einvernehmlich festlegen, dass ein Gericht oder die Gerichte eines bestimmten Mitgliedstaates zuständig sind, sofern für dieses oder diese ein enger Bezug zu diesem Mitgliedstaat gegeben ist. Ein solcher enger Bezug ist gegeben, wenn einer der in Art. 3 EuEheVO genannten (Zuständigkeits-)Gründe vorliegt. Für die den engen Bezug begründenden Umstände ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich. Die durch Vereinbarung festgelegte Zuständigkeit ist ausschließlich, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung bedarf der Schriftform, ist zu datieren und von den betroffenen Parteien zu unterzeichnen. Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform gleichgestellt."

 

b) Verfahrensrechtlich naheliegend könnte es als Minus zu einer Gerichtsstandsvereinbarung angezeigt sein, die rügelose Einlassung, z.B. in Anlehnung an Art. 5 EuUntVO, zu gestatten.

In diesem Zusammenhang ist jedoch zu bedenken, dass mit einer rügelosen Einlassung die Gefahr verbunden ist, dass sich die Ehefrau als Antragsgegnerin auf ein Verfahren in einem an sich unzuständigen Mitgliedstaat und vor einem unzuständigem Gericht einlässt. Damit ist gleichermaßen – wenn auch in anderer Form – ein Wettlauf zu den Gerichten verbunden, in dem der vermögendere Ehepartner (in der Regel der Ehemann) zum Nachteil des finanziell schwächeren Partners (in der Regel die Ehefrau) eine ihm vorteilhaftere Zuständigkeit herbeiführt.

Wenn unter dem Aspekt der Harmoniserung eine rügelose Einlassung gewünscht werden sollte, kann – angelehnt an Art. 12 Abs. 3 Brüssel-IIa-Verordnung – wie folgt formuliert werden:

"Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Antragsgegner auf das Verfahren einlässt, sofern ein enger Bezug des Antragsgegners zu diesem Mitgliedstaat besteht und seine schützenswerten Interessen nicht entgegenstehen."

 

c) Unter Berücksichtigung zulässiger Rechtswahlvereinbarungen der Parteien sollte für das angerufene Gericht – als Folgeregelung – aufgenommen werden, sich für unzuständig erklären zu können. Eine an Art. 6 lit. a EuErbVO orientierte Norm könnte lauten:

"Ist das Recht, das die Parteien nach Art. 5 bis 7 Rom-III-Verordnung zur Anwendung auf die Scheidung oder Trennungen ohne Auflösung des Ehebandes vereinbart haben, das Recht eines Mitgliedstaats, so kann das nach Art. … angerufene Gericht sich auf Antrag einer der Verfahrensparteien für unzuständig erklären, wenn seines Erachtens die Gerichte des Mitgliedstaats des gewählten Rechts besser entscheiden können; dabei berücksichtigt es die konkreten Umstände der Scheidungssache, wie etwa den gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien und der gemeinsamen Kinder."

 

d) Eine Reduzierung der objektiven Anknüpfungspunkte der Zuständigkeitsregelung in Art. 3 Brüssel-IIa-Verordnung auf die in Art. 5 und 8 Rom-III-Verordnung genannten, ist ein weiterer Gesichtspunkt, der in die Überlegungen aus Sicht des djb einzustellen ist . Dies betrifft insbesondere Art. 3 Abs. 1 lit. a 3.-6. Spstr. Brüssel-IIa-Verordnung, die die Gefahr des Auseinanderfallens von forum und ius erhöhen.

 

2) Befürwortet wird schließlich die Schaffung eines forum necessitatis, angelehnt an die Regelung des Art. 7 EuUntVO. Danach könnten die Gerichte eines Mitgliedstaats, wenn sich keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats gemäß den Art. … ergibt, in Ausnahmefällen über den Rechtsstreit entscheiden, wenn es nicht zumutbar ist oder es sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem der Rechtsstreit einen engen Bezug aufweist, einzuleiten oder zu führen. Der Rechtsstreit muss einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweisen.

Zu klären bleibt bei Einführung einer derartigen Notzuständigkeit indes das Verhältnis zur mitgliedstaatlichen Zuständigkeit nach Maßgabe des geltenden Art. 7 der Brüssel-IIa-Verordnung. Sollte ein Bedarf für die "Restzuständigkeit" nicht mehr bestehen, was naheliegend ist, kann die Norm entfallen; andernfalls ist eine Abgrenzung der Fallkonstellationen vorzunehmen, um den Anwendungsbereich der jeweiligen Vorschrift zu konkretisieren. Ein möglicher "Standort" wären die Erwägungsgründe.

 

3) Der djb befürwortet zudem die Abschaffung des Exequaturverfahrens für alle in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen (ebenso für die öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen) über die elterliche Verantwortung, wobei jedoch bestimmte Schutzmechanismen aufrechterhalten werden sollten. Dazu zählen jedenfalls die ordnungsgemäße Zustellung von Schriftstücken, das Recht der Parteien und des Kindes auf Anhörung, insbesondere mit Blick auf sich widersprechende Entscheidungen sowie die Einhaltung bestimmter verfahrensrechtlicher Bestimmungen zur Unterbringung des Kindes in einem anderen EU-Staat, angelehnt an den geltenden Art. 56 der Brüssel-IIa-Verordnung.

Ob auf die Beibehaltung des ordre public-Vorbehalts unter den genannten Voraussetzungen verzichtet werden kann, wird sodann – als Folge – zu diskutieren sein.

 

4) Mindeststandards für die Anhörung eines Kindes könnten zudem dazu beitragen, die Verweigerung der Anerkennung und der Vollstreckung oder der Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung aus einem anderen EU-Staat zu vermeiden und somit die Akzeptanz (der Entscheidung) durch die EU-Bürger erhöhen. Beispielhaft zu nennen sind das Mindestalter des Kindes für eine Anhörung, nicht aber darüber hinausgehende Verfahrensfragen – etwa wer das Kind befragt. Dies sollte (und müsste) weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen bleiben.

 

Ramona Pisal                                  
Präsidentin                                       

Brigitte Meyer-Wehage
Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht,
Recht anderer Lebensgemeinschaften